Kultur: Totenklagen der Humboldt- Klangkörper
Nun, sonderlich üppig dürfte die Abendkasse für Humboldts Philharmonischen Chor und das Symphonische Orchester der Humboldt-Universität Berlin nicht gefüllt gewesen sein, als sie im Nikolaisaal mit einem anspruchsvollen und raritätenreichen Programm über das Thema von Tod und Trauer auftraten. Gegenüber den Zuhörern schien es ein leichtes Übergewicht der Mitwirkenden zu geben.
Stand:
Nun, sonderlich üppig dürfte die Abendkasse für Humboldts Philharmonischen Chor und das Symphonische Orchester der Humboldt-Universität Berlin nicht gefüllt gewesen sein, als sie im Nikolaisaal mit einem anspruchsvollen und raritätenreichen Programm über das Thema von Tod und Trauer auftraten. Gegenüber den Zuhörern schien es ein leichtes Übergewicht der Mitwirkenden zu geben. Den Laienmusikern, die in ihrer Freizeit sich und anderen zur Freude singen und musizieren und dafür auch noch Geld (12 Euro) kassieren, war dies allerdings kein Grund für Trauer. Auch wenn das Preis-Leistungsverhältnis sich als nur mangelhaft erwies, waren sie von ihrem Können überzeugt und stürzten sich voller Eifer in die Werke, in denen von existenziellen Dingen des Menschen in beeindruckenden Klängen die Rede geht.
Angeregt durch Schillers Gedicht „Nänie“ (nach Vorbild eines römisch-antikischen Trauergesangs), ließ sich Johannes Brahms mit seinem gleichnamigen chorsinfonischen Opus 82 zu einer musikalischen Trauer um einen Verstorbenen und die Tröstung der Hinterbliebenen ermutigen. Nach längerer, solide musizierter Orchestereinleitung begann die ausgewogen besetzte und erstaunlich gut intonierende Chormasse mit dem Seufzer „Auch das Schöne muss sterben!“ Allmählich schwoll die Lautstärke an, um schließlich forciert im Fortissimo zu landen. Sofort begann das wohlklingende Volumen zu bröckeln. Um es zu kitten, setzte der Dirigent Constantin Alex noch eins drauf, hielt die Sangesgemeinschaft zu regelrechtem Brüllen an. Der Hörsaal revanchierte sich, indem er den Text unverständlich werden und die Klänge zu einer nahezu kreischenden Geräuschkulisse verkommen ließ.
Würde die sinfonische „Totenfeier“, wie der erste Satz aus Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 2 „Auferstehung“ einst genannt wurde, von besserer ästhetischer Leistungsfähigkeit der Musiker künden? Ihr redliches Bemühen konnte nicht über Defizite bei der Beherrschung der Instrumente hinwegtäuschen, wobei besonders Hörner und Trompeten kläglich in Erscheinung traten. Wenig Vibrato erzeugte einen ungeschmeidigen Ton, mit dem sich kaum klangmodellieren ließ. Spannung entstand genauso wenig wie aufblühendes Streichersingen. Man buchstabierte sich durch die Noten, meistens unerträglich laut. Sollte solche Verfahrensweise fehlende Intensität ersetzen? Von dieser nüchternen, glanzlosen, sozusagen atheistischen Lesart wollte einfach nichts Erschütterndes ausgehen.
Einem Konzert für „Schwerhörige“ glich auch die unsensible Wiedergabe von Sergej Rachmaninows sinfonischer Dichtung „Die Toteninsel“ nach dem berühmten Gemälde von Arnold Böcklin. In der Alex-Deutung begann sie auf einem viel zu hohen Lautstärkelevel, sodass vom fast lautlosen Herangleiten und späteren Verschwinden des Todesnachens nichts zu vernehmen war. Erneut blieb Stimmungsmalendes den Ohren fern, auch Zwischenfarben kannte die Klangpalette kaum. Dafür wurde ausgiebig und con fuoco Abschied von den irdischen Freuden des Lebens genommen. Ähnlich direkt und dramatisch boten alle Beteiligten abschließend die russisch gesungene Kantate „Johannes Damascenus“ von Sergej Tanejew auf ein Gedicht von Alexej Tolstoi dar. In ihr wird die Hoffnung des Sterbenden (eines Mönchs und Kirchenlehrers des 7./8. Jh.) nach Auferstehung beschrieben. Machtvoll tönte der Gesang, wurde Achtung gebietend der Inhalt gedeutet. Doch erst in den letzten Takten kam auch ein wenig Innigkeit zum Erblühen. Peter Buske
Peter Buske
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: