Kultur: Tragödie light und spielfreudig
„Hamlet“-Inszenierung vom Poetenpack auf dem Klausberg-Belvedere
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Es war ein schönes Bild, als am Ende von „Hamlet“ alle Toten wieder auf(er-)standen und gemeinsam sangen, von „to see, to hear, to touch und to kiss“, also von extrem lebendigen Dingen wie dem Sehen, dem Hören, dem Fühlen und dem Küssen. Geküsst wurde jedoch nicht allzu viel bei der Premiere am Donnerstagabend auf dem Klausberg-Belvedere, das der Generaldirektor von Schlösser und Gärten, Hartmut Dorgerloh, frohen Herzens dem Poetenpack übergab, wobei er hoffte, dass dies nicht eine Eintagsfliege bliebe.
In der Tat ist das Belvedere auf dem Klausberg in seiner neuen Pracht ein idealer Spielort, der die Zuschauer nicht nur an das Theater, sondern auch an die einmalige Kulturkulisse heranführen kann. Wenn dazu noch der Mond so wunderbar vernebelt mal vor, mal hinter den Wolken seinen Kommentar dazu gibt, wie das in der Pause der Fall war, dann braucht der Genussfreudige nicht mehr. Das heißt, wenn er sich mit dem starken Klamauk-Anteil der Shakespeare-Tragödie, die durch diese eigenwillige Interpretation (Regie: Justus Carrière; Assistenz: Constanze Henning) stark umgewertet wird, anfreunden kann. Die brillante Rache-Sühne-wir-bringen-uns-alle-um-Geschichte, die Shakespeare vor vierhundert Jahren geschrieben hat, um die Höhen und Tiefen des Verrats auszuloten, wird in dieser Inszenierung, die manchmal zum Brüllen komisch ist, zu einer boulevardesken Komödie mit leichten tragischen Anteilen. Als Polonius (seriös und nur im Sterben komisch: Stephan Maria Fischer) durch das Racheschwert des sich irrenden Hamlet (modern, als Irrer tragisch, als Sohn untröstlich, als Liebender verzagt: Tilmar Kuhn) auf den Diwan plumpst und schwächelnd ausruft, „ich bin umgebracht“, hat man sich schon daran gewöhnt, dass der Tragödie der Ernst genommen wurde. Denn vorher gab es zwar die großartige Szene Hamlets, der mit bloßem Oberkörper auf der oberen Empore steht, die Arme in die Luft wirft und aus seinem rotumränderten Lippen das Zitat aller Zitate sprechen darf: „Sein oder Nichtsein...“ – aber das Pat- und Patachon-Paar, das Andreas Hueck und Stefan Peetz aus Güldenstern und Rosenkranz, den beiden Spionen des Brudermörders Claudius machen, führte schon lange den Spaß ein. Und das lag nicht nur an deren Kleidung. Der eine spricht seinen Part in einer Art Königsberger Dialekt, der andere bayerisch. Der Zweifel, ob sie eher Hamlet oder dem Verräter Claudius (blass geschminkt mit rotbrauner Sonnenbrille, gestreiftem Anzug und herrischer Geste: Ralf Bockholdt) ergeben sein sollen, drückt sich hauptsächlich in ihren slapstickartigen Bewegungen aus – und die zeigen, dass den Schauspielern die Spielfreude in allen Extremitäten zuckt.
Das hilft auch über manche Längen des Stücks der zweiten Hälfte, als das Ganze seinem Niedergang entgegen geht, hinweg. Aber da gibt es wunderbare Szenen, die man nicht verpassen sollte: Als Gertrud etwas zu royal versteift, zeigt Iduna Hegen als Totengräber, was sie schnauzberlinernd, beherzt Totenköpfe und Knochen wegschaufelnd, an Facetten auf Lager hat. Und Ophelia, die zarte, kurzhaarige Paula Wehmeyer, kommt als Irre besonders groß raus: Schon bemerkenswert, wie sie auf der Bühne zwischen dem Königspaar hin und herstapft, einen Wassereimer und Gummistiefel holt, das Wasser entschlossen in die Stiefel gießt, diese anzieht und quatschend das Zitat, das man eine Weile vorher wieder erkannte: „Und ist es Tollheit, so hat es doch Methode“ ganz neu interpretiert.
Sehenswert auch die Schauspieleinlage, die Hamlet dazu benutzt, von Claudius ein Schuldeingeständnis zu bekommen – die weißen Masken (und hier prägnant: Jarno Stiddien als Königin) eröffnen eine Dimension des Theaters im Theater, die durch den starken Auftritt Justus Carrières eingeleitet wurde. Auch wenn Anja Reßmer als Horatius ein bisschen blässlich wirkt, eine schöne Singstimme hat sie, und das kann sie dann am Ende beweisen.
Immer wieder legen sich neue Schatten als Vexierbilder auf das Belvedere, die schwungvollen Treppen spielen ebenfalls mit (Bühne: Stephan Mannteuffel) und das alles zusammen macht diese Aufführung sehenswert.
Weitere Aufführungen am 25., 26., 30., 31. August sowie 2., 6., 7., 9. September, jeweils 20 Uhr.
Lore Bardens
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