Von Babette Kaiserkern: Transparente Klangbilder
Johannes Brahms Requiem bildete den Abschluss der diesjährigen Vocalise in der Erlöserkirche Potsdam
Stand:
Die ausgewogene Mischung von musikalischem Reichtum und ergreifendem Gesang fand an diesem Abschlussabend der Vocalise trefflichen Ausdruck. Zur Aufführung gelangte das Deutsche Requiem von Johannes Brahms, das ihm zum künstlerischen Durchbruch verhalf. Mehr noch, seit seiner Uraufführung vor 140 Jahren wurde es zu dem Requiem der Deutschen. Dabei steht es zwischen allen Stühlen. Den Namen trägt es eigentlich zu Unrecht, denn es handelt sich nicht um eine Messe für die Toten. Nicht die Klage bestimmt den Verlauf, sondern die Tröstung der Lebenden im Angesicht des Todes. Die von Johannes Brahms ausgewählten Bibeltexte folgen keiner Liturgie, auch biblische Figuren treten nicht auf. Brahms überführte die geistlichen Texte die musikalische Gegenwart seiner Zeit, in der der Musik höchster Rang zukam. Dabei entstand ein unvergleichliches Chorwerk, das am Samstag zahlreiche Zuhörer in die Erlöserkirche lockte.
Die Potsdamer Kantorei und das Neue Kammerorchester sowie die beiden Solisten Esther Hilsberg und Sebastian Noack ließen unter der Leitung von Ud Joffe eine höchst respektable Einstudierung hören. Der überaus reiche musikalische Kosmos des Deutschen Requiems schöpft aus den dunkelsten Tiefen der Töne und den tiefsinnigsten Texten der Bibel. Mit den höchsten Registern des Engels-Instruments, der Harfe, findet das Werk ein ebenso friedliches wie formvollendetes Finale. Viel Farbe bringen schon allein das groß besetzte Orchester und die Orgel (Tobias Scheetz) in die sorgfältig herausgearbeiteten Strukturen der sieben Sätze. Vom pianissimo-Beginn in den dunklen Streichern über das sorgfältig gesteigerte Crescendo im zweiten Chorsatz, die lieblichen Töne von Flöte, Oboe und hohen Streichern im wiegenden vierten Chorsatz bis zu den dramatischen Ausbrüchen im sechsten Satz zeigt jeder Satz eigenes Profil.
Anstelle eines marschmäßigen Voranschreitens, erklingen sehr bewegte, eher leichte Rhythmen und mehrheitlich transparente Klangbilder. Die fast 100 Sänger und Sängerinnen der Potsdamer Kantorei beweisen ihr Können mit vielfältigen Klangfacetten. Gut abgerundetes Piano zeigt sich immer wieder, von der unbegleiteten Anfangsmelodie, über die akkkordischen Lobpreisungen bis hin zum vierstimmigen Schlusschoral.
Von intensivem Proben zeugen auch die bei aller Vehemenz doch packend präzise klingende Durchführung und das Fugato des sechsten Teils – eine großartige Leistung der Potsdamer Kantorei. Ganz besonders erfreuten die beiden Solisten mit berührenden Beiträgen. Sebastian Noack verlieh seinen Partien mit tenoral timbriertem Bass überaus eindringliche, individuelle Prägung. Mit leuchtendreiner Sopranstimme schwebte Esther Hilsberg über den musikalischen Wogen des vierten Teils, das so zum innigen Herzstück der Aufführung wurde. Mit dem Requiem von Brahms unter der zupackenden Leitung von Ud Joffe fand die Vocalise ein überzeugendes Ende. Tief beeindruckt und, wie gewünscht ohne Applaus, verlassen die Zuhörer die Erlöserkirche.
Babette Kaiserkern
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: