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Kultur: Traumbilder

„Der Heilige See“ des Pianisten David Ianni

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Mit dem „Sommer“ war alles vergessen. Das leise, besonders in den kurzen Momenten der Stille so störend empfundene Surren des Projektors, der die Traumfotografien von Monika Schulz-Fieguth auf die Leinwand warf. Die beständige Unruhe, das ewige Getuschel im Publikum, die so oft auch bei klassischen Konzerten zur unausweichlichen Begleiterscheinung geworden sind, an die man sich einfach nicht gewöhnen will. Und auch David Iannis Interpretation von Beethovens Sonate Nr. 14 in cis-Moll, op. 27/2, die vielgespielte „Mondschein-Sonate“, die unter seinem kraftstrotzend-harten Anschlag nicht nur den Flügel, sondern auch die ohnehin schwierige Akustik im Saal der Urania an die Grenzen brachte. Beethovens Meisterwerk, dessen zweiten Satz Edwin Fischer mit einer Blume zwischen zwei Abgründen verglichen hat, zerfiel hier leider in konturlose, virtuos satte Versatzstücke. Doch mit dem „Sommer“ war das alles vergessen.

Durch Fotografien aus dem Bildband „Der Heilige See in Potsdam“ von Monika Schulz-Fieguth und Besuchen in der Stadt und des Heiligen Sees inspiriert, hat der in Luxemburg geborene Pianist David Ianni den Liedzyklus„Der Heilige See“ geschrieben, den er Freitag in der ausverkauften Urania uraufführte. Fünf minimalistische Kleinode, jeweils einer Jahreszeit am See in Potsdams Mitte gewidmet, wobei der November, nicht mehr Herbst, aber auch noch nicht Winter, sowohl in den Bildern von Monika Schulz-Fieguth als auch im Zyklus von Ianni als eigene Jahreszeit gesehen wird. Für das Konzert hatte die Potsdamer Fotografin Bilder von ihren regelmäßigen Streifzügen um den See zusammengestellt, die zusammen mit der Musik ein kleines Gesamtkunstwerk ergaben.

War diese Verbindung am Anfang des Konzerts, wo Ianni seine sehr frühen Kompositionen „Fallende Perlen“ und „Night Prayers“ vorstellte und diese von Monika Schulz-Fieguths Fotografien aus dem Kloster Stift Heiligenkreuz – der Ort, durch den sich beide kennengelernt haben – bebildert wurden, nicht immer stimmig, beim „Heiligen See“ waren beide Künstler ganz beieinander. Ewigkeit und Vergänglichkeit sind die Leitmotive seiner Kompositionen für „Der Heilige See“ gewesen, sagte Ianni einführend. Der See in seiner stillen Beharrlichkeit stehe für die Ewigkeit, der uns immer wieder an dieVergänglichkeit unserer so lächerlich kurzen Existenz erinnere. Das Element des Ewigen hat Ianni in jedem der fünf Lieder durch eine kurze, sich ständig wiederholende Melodie dargestellt, die durch abwechselnde Themen gleich Gedankenfetzen oder Traumbildern als Zeichen der Vergänglichkeit umspielt wird.

Ianni, hier mit sanftem Anschlag und dem Bewusstsein für gelassene Tempi und einem fast schon meditativen Atem, zeichnete musikalische Landschafts- und Stimmungsbilder von harmonischer Herrlichkeit. Er stellte sich als ein Meister der Reduktion vor, für den Schönheit selbstverständlich auch Elemente des Einfachen und Naiven enthalten kann. Musikalischer Genuss von anspruchsvoller Leichtigkeit, die als Einladung in Traumwelten verstanden werden kann. Iannis „Frühling“ noch ein Werden, ein Zögern, das im „Sommer“ seine volle Entfaltung fand. „Herbst“ und „November“ mit Andeutungen von Zweifeln und dem Bewusstsein des Vergänglichen. Der „Winter“ dann als prunkende „Schönheit“, ein Abschluss, der den Neuanfang in sich trägt. Dazu die Bilder von Monika Schulz-Fieguth, die hier jeder, der nicht im Besitz des streng limitierten Bildbandes ist, so ausgiebig genießen konnte. Am Ende nur der Wunsch, dass Iannis Zyklus auch auf CD erscheinen wird, bebildert mit Aufnahmen von Monika Schulz-Fieguth. Dirk Becker

Dirk Becker

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