Kultur: Träume in Samt und Seide
Schillernde Kostüme, Dessous, ein Schuhberg: Jenny Jugos Nachlass im Filmmuseum
Stand:
Es kribbelt in den Fingern. Am liebsten würde man jedes Kleidungsstück einzeln in die Hand nehmen und befühlen. Ob Hemdchen, Hut oder Morgenrock – alles ist aus feinsten Stoffen. Chiffon, Tüll und Seide in den schönsten Farben, bestickt mit Perlen und Pailletten. Es riecht nach Nostalgie und Glamour – auch wenn etwas Mottenkugel-Duft darüber liegt.
Erst am vergangenen Freitag hat Filmmuseumsmitarbeiter Guido Altendorf die drei riesigen Koffer und etlichen Hut- und Schuhschachteln aus der Nähe von Bad Tölz geholt. Dort lebte die sich aus dem Filmgeschäft zurück gezogene Schauspielerin Jenny Jugo seit 1950. Nach ihrem Tod vor fünf Jahren entrümpelte die Familie den Bauernhof der 96-Jährigen und warf einen Großteil der Sachen in den Müllcontainer. Ihre Physiotherapeutin und auch Vertraute Marianne Westermeier ahnte den Frevel und sicherte den Nachlass, den sie daraufhin dem Filmmuseum Potsdam anbot. Das ließ sich nicht lange bitten und kaufte schließlich diesen Schatz: „Es ist keine andere so große, geschlossene Kostümsammlung aus den 20er bis 40er Jahren bekannt“, betont Altendorf. Gestern war nun die erste Sichtung im Archiv in der Pappelallee. Neugierig öffnen Guido Altendorf und seine Kollegin Birgit Scholz die mit grünen Stoff bezogenen Schübe des Kofferschranks. Mit weißen Handschuhen befördern sie zwei schmale Handtaschen hervor. Beide sind in einer feinen Extrahülle aus Stoff verstaut. Offensichtlich waren sie der Schauspielerin besonders lieb. Auch Puderdosen und raffinierte Dessous kommen zum Vorschein. „Es ist alles noch so toll erhalten“, freut sich Birgit Scholz, die für den Nachlass des Filmmuseums zuständig ist.
Bevor sich auch die Öffentlichkeit an den schönen Dingen der Diva erfreuen kann, werden die vielen Teile – darunter ein hölzerner Tennisschläger, fast unbenutzte Reitstiefel und oft getragene Skischuhe – erst einmal katalogisiert und dann begast, um sie keimfrei zu machen. „Dann wickeln wir jedes Stück in Seidenpapier und legen sie in extra angefertigte, säurefreie Kartons“, so Birgit Scholz.
Zwei Jahre werde es wohl dauern, bis die gemeinsam mit dem Modemuseum Meyenburg geplante Ausstellung gezeigt werden könne, zu der dann auch Fotos und Drehbücher aus dem Jugo-Nachlass gehören. Allein die Sichtung der Schuhe dürfte einige Zeit in Anspruch nehmen, denn davon hatte Jenny Jugo mehr als genug: ein Paar schöner als das andere. Nicht umsonst war sie mit einem Schauspieler aus Italien verheiratet, den sie allerdings eher sporadisch sah – wenn sie nicht gerade gemeinsam drehten. Doch die Liebe zu Friedrich Benfer hielt offenbar gerade durch die Entfernung, schließlich heirateten sie gleich zwei Mal. Die zierliche Frau mit der Wespentaille lebte auf sehr kleinem Fuß: mit einer Schuhgröße von maximal 34. Ansonsten kam sie eine Spur größer daher. „Man munkelt, dass ihr Vater am Habsburger Hof eine höhere Position hatte. Jedenfalls erhielt die von der Mutter allein großgezogene Tochter eine erstklassige Ausbildung und war bis ins hohe Alter sehr betucht“, so Altendorf. Als Star der Ufa konnte sie bestimmt auch selbst einiges auf die hohe Kante legen: schließlich stand sie an dritter Stelle auf der Gagenliste – nach Zarah Leander und Paula Wessely. Es gab sogar eine schriftliche Vereinbarung, dass sie alle Filmkostüme behalten durfte. Und so kann das Filmmuseum heute 40 Bühnen- und private Kleider der Jugo sein eigen nennen, die Jahrzehnte auf dem Speicher des Bauernhofes lagerten. „Seit den 70er Jahren war Jenny Jugo am Rollstuhl gefesselt, eine Frischzellenkur ist schief gegangen. Die kinderlos gebliebene Frau lebte sehr zurück gezogen. In ihren Filmen, die man sich auch heute noch gut anschauen kann, spielte sie zumeist eine sehr emanzipierte, oft kratzbürstige Frau. Brecht-Regisseur Erich Engel, mit dem sie auch während der Nazizeit arbeitete, wusste ihr komödiantisches Talent ins rechte Licht zu setzen“, sagte Altendorf. Nach dem Krieg war die damals in Sacrow wohnende gebürtige Österreicherin bei der DEFA unter Vertrag, drehte 1949 „Träum“ nicht, Anette“. Ihr letzter Film „Königskinder“ wurde in Westdeutschland gedreht. Das schwarze Premierenkleid ist nun im Archiv eines der Glanzstücke. „Als Jenny Jugo sich vom Film zurück zog, war sie weit über 40. Sie wollte sich offensichtlich nicht die Mühe machen, in ein anderes Rollenfach zu wechseln.“ Der Glanz ihres Lebens lässt sich aber noch heute erahnen. Er floss auch in Samt und Seide.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: