Kultur: Traumsessel mit Teddybär
Die Filmuniversität Babelsberg „Konrad Wolf“ präsentiert im „fluxus+“ die Ausstellung „Ever Mind“
Stand:
Derzeit geht es in der Schiffbauergasse ganz schön spacig zu. Im „Kunst-Raum“ übt Christine Niehoff schon mal für den ersten Marsflug, schwärmend und werbend lädt Maria M. Hahmann im Museums-Shop den Besucher zu Reisen in farbige Welten „zwischen innen und außen“ ein, und im Atrium des lebendigen Museums „fluxus+“ ist seit vorgestern eine Ausstellung zu sehen, die sich Freunde der Himmel, des Films oder der eigenen Innenwelt nicht entgehen lassen sollten; letztlich kommt das ja auf das Gleiche heraus. Jemand aus der frischgebackenen Filmuniversität Babelsberg hatte die geniale Idee, interessante Projekte auch mal außerhalb des kühl-gläsernen Elfenbeinturms in der Marlene-Dietrich-Allee vorzustellen. Immerhin feiert man ja gerade das 60. Gründungs-Jubiläum dieser Hochschule des Films.
Den „fluxus+“-Leuten kam dieser Ruf nach Zusammenarbeit gerade recht, denn was sich der aktuelle Studiengang „Szenografie“ unter Leitung von Angelica Böhm zum Thema „Ever Mind“ ausgedacht hatte, schien sowohl surreal wie auch echt „fluxisch“ geraten zu sein, modern also, poppig und vor allem jugendfrisch. Der Wunsch, endlich die dröge Ästhetik der „Tatort-Real-Kulisse“ zu überwinden, war freilich nicht ganz neu, auch frühere Studiengänge hatten sich an diesem Thema erprobt. „Plattform für Introduktion“ wird das dort akademisch genannt, was „Innenschau“ zu meinen meint.
Ihre Parole: „Wider den traditionellen Studiobau!“ Und so versammeln sich im Atrium dreizehn Entwürfe gleichen Geistes, die bis ins Jahr 2006 zurückreichen. Die sechs von 2014 haben den Arbeitstitel „Snap-shot in my Mind“, den älteren lag das Projekt „Labyrinth in the Mind“ zugrunde. Letztlich ist es schnurzegal, ob es nun um Schnappschüsse oder um Labyrinthe geht, wenn nur der Geist endlich wieder zum Tatort gerufen wird!
Worum geht es? Es ist wohl das Vorrecht der Jugend, das „Erbe der Väter“ mit eisernem Besen zu prüfen, sie will einfach alles besser machen, anders vor allem. Wo anders sollten die frischen Ideen liegen, wenn nicht innen? Also schickte Angelica Böhm ihre Studenten auf eine Forschungsreise in ihr eigenes Ich, ließ sie malen, was sie da gesehen. Dann wurden diese unbestreitbar solitären Bilder von einer Kamera „abgetastet“ und anschließend digital bearbeitet. Mental führte der Weg also von außen nach innen, künstlerisch von der konzeptionellen Malerei über den helfenden „Digital Artist“ Jan Schneider hin zum szenografischen Experimentalfilm.
Schön, dass man in dieser fantasievollen Gemeinschaftsausstellung alle Arbeitsschritte sehen und nachvollziehen kann. Das Ziel heißt natürlich nicht „Methodenlehre“. Man will auch etwas bewirken, denn „so, wie es ist, kann es nicht weitergehen!“, sagte einer der ausstellenden Studenten aus dem Studiengang 2014. Die Hoffnung ist da: Vielleicht kann man mit den studentisch vorproduzierten Szenenräumen einen besonders huldvollen Produzenten oder Regisseur bewegen, eine andere als die bisher übliche „Tatort-Real-Kulisse“ zu wählen, sei es auch nur um der lieben Kunst willen. Verdient hätten es diese Arbeiten alle, ob man nun „Turm der Sparer“ nimmt oder „Blutige Treppe“, die womöglich Eisensteins „Panzerkreuzer Potemkin“ zitiert. Dieser Mann legte ja, bei „Iwan dem Schrecklichen“ zum Beispiel, ein geradezu wissenschaftliches Interesse für seine Szenenbilder („Bau der Dinge“) an den Tag. An Schneiders Opus von 2006 fällt auf, dass diese Bluttreppe weder Anfang noch Ende hat.
Wie man Sujets in völlig anderen „Filmräumen“ arrangieren kann, hat eine lange Tradition. So etwas gab es im expressionistischen Film der 20er-Jahre, in den erkennbar gezeichneten Kulissen der Karel-Zeman-Filme nach dem Krieg, in den digitalisierten Spiel- und Saurierfilmen gestriger und heutiger Tage, dort, wo es um Fantasy geht, bei den Videospielen sowieso. Der eine oder andere Entwurf im Atrium erinnert daran, wie sehr bereits vorhandene Außenwelten zum „Innen“ werden können, etwa wenn man das Meer am hohen Klippenufer ganz virtuell branden lässt. Doch bleibt auch hier genügend Raum für Fantasie, darum geht es ja letztlich: Den erlogenen „Zwängen der Realität“ endlich mal etwas Nützliches entgegenzusetzen – das freie Spiel der Gedanken, wie man es im Atrium unter Stichworten wie „Moor der Angst“ oder „Gedanken-Brücken“ findet.
Jetzt weitet sich der Spiel-Raum von der Tiefsee bis zum Planetenhimmel. Oder einer schafft im Kopf sein eigenes Labyrinth, um es – was für eine Idee – in Gestalt eines Robot abzuschreiten! Ein genialer „Schnappschuss“ auch, rote Sessel aus Plüsch in ein Kornfeld zu setzen, wäre die Idealkulisse für James Bond, oder „Die Zwei“. Dann müsste im Film auch mal wieder richtig geschauspielert werden, jenseits von Eitelkeit und Selbstdarstellung. Solche Assoziationen also verdankt man dieser kleinen Ausstellung ganz spontan, offenbar ist das Szenenbild als Denk- und Spiel-Raum wichtiger, als man so denkt. Ton und Geräusche zu den einzelnen Arbeiten stammen übrigens vom Studiengang Filmmusik als kongenialem Partner.
Zuletzt die Mitte des Raumes: Hier hat der Übermut aller eine „brain-machine“ mit Traumsessel geschaffen. Ein heiteres Verwirrspiel aus Apparaturen und Kabeln, die enden wo? Beim nächsten Monitor natürlich! Wichtigstes Detail dieser technischen Großtat: ein alter Teddy, zum Kuscheln beim Träumen...
Die Ausstellung ist bis Ende Februar 2015 zu sehen, Mittwoch bis Sonntag 13 bis 18 Uhr; weitere Informationen im Internet unter www.fluxus-plus.de
Gerold Paul
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: