Kultur: Treibend
Chico Trujillo in der „fabrik“
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In Deutschland waren sie zuletzt „zu Gast bei Freunden“, natürlich zur Fußballweltmeisterschaft 2006. Am Brandenburger Tor in Berlin spielten die Chilenen von Chico Trujillo damals vor einem riesigen Publikum. Am Donnerstagabend, pünktlich zum Konzertbeginn in der „fabrik“, ist jedoch noch niemand da. Doch geduldig warten wollen die temperamentvollen Musiker nicht. Im Foyer der „fabrik“ gibt die Band am Klavier schon mal einen kleinen musikalischen Vorgeschmack. Und dann kommen auch schon die ersten Gäste, die gerade noch die letzten Sonnenmomente vor der „fabrik“ in der Schiffbauergasse genossen haben.
Mit Chico Trujillo steht an diesem Abend brasilianischer Latin Ska auf dem Programm. Im September 1999 wurde die Band in Villa Alemana, einer Stadt in Zentralchile, gegründet. Weiterer Musiker kamen hinzu und gaben Chico Trujillo immer mehr Kraft. Schon bald nahmen sie ihr erstes Album „Chico Trujillo y la Señora Imaginación“ auf, das in Deutschland unter dem Titel „Arriba las Nalgas“ erscheint. Derzeit tourt die Band quer durch Europa.
Mittlerweile hat sich eine überschaubare Menschengruppe im kleinen Konzertraum versammelt. Da betreten mit lauten spanischen Gesprächen, die im Publikum niemand so richtig versteht, die sieben Musiker von Chico Trujillo die Bühne. Laut ertönen Percussion und die Trompeten, im Rhythmus steigt das Keyboard ein und dann der Gesang „Cosecha de mujeres“, zu deutsch „die Ernte der Frauen“. Ein melodischer Mix aus Cumbias, Boleros und Ska wird immer intensiver. Das Publikum ist noch etwas verhalten, bis auf ein paar rhythmische Kopfbewegungen ist nicht viel zu sehen. Doch brasilianische Leidenschaft sieht anders aus. Der Sänger Macha macht es vor. Den Oberkörper leicht nach vorne geneigt, lässt er die Arme schwingen zu den Klängen der Bläser, Percussion und Co., dabei beweget er die Beine so schnell, als wolle er wegrennen, obwohl er nicht so recht von der Stelle kommt.
Der Rhythmus wird schneller, die Instrumente kräftiger und der Gesang lauter. Allmählich springt auch das brasilianische Feuer ins Publikum über. Uno, dos, tres – im 4/16 Takt geht es rasant weiter. Das Publikum ist längst gepackt. Unnötiger Ballast wie Baumwollstrickjacke, Sweatshirt und sogar die Schuhe landen wegen der schweißtreibende rhythmische Bewegungen am Rand des Konzertraums. Ein letzter Trommelwirbel, gefolgt von einem schrillen Tröten der Trompete und einem lauten „Gracias“ beenden das Spektakel. Doch das Publikum hat noch lange nicht genug, es grölt und hämmert heftig die Handflächen aneinander. Margret Hahn
Margret Hahn
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