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Von Philipp Kühl: „Treibguttalentbretter“

Jeden Mittwoch Jamsession / Auch andere Kleinkünstler sollen im Café Treibgut eine Plattform finden

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Mittwochabend im sommerlichen Potsdam. Die schwüle Hitze hält die Stadt in Atem. Im schönsten roten Ballkleid verabschiedet sich die untergehende Sonne vom Tag. Wer gearbeitet hat, macht sich nun endlich voller Vorfreude auf den Heimweg. Die Verliebten treffen sich am See, die Durstigen im Biergarten und die Musiker lassen sich zur Jamsession im Café „Treibgut“ anspülen. Dort möchte Inhaber Stefan Schröder ab sofort jeden Mittwoch einen Treffpunkt für Künstler und Musiker schaffen. „Treibguttalentbretter“ nennt sich die Reihe, die Anfang Juni gestartet wurde und vorrangig als Jamsession für Jazzmusiker fungiert. Fortan treffen hier Trompeten auf Gitarren, Pianisten auf Sänger und tiefe Töne auf hohen Anspruch.

Was sie alle zusammenhält, ist der Wille zur Improvisation. Dazwischen ist alles möglich. Freiheitlicher ging es nicht einmal bei der Französischen Revolution zur Sache. „Liberté, Égalité und Fraternité“ werden hier zu „Blue Noté, Akzenté und Rhythmusgruppé“.

Doch natürlich geht es nicht ganz ohne Regeln. Erstens sollten all jene, die spontan mit in die Stücke einsteigen wollen, ein gewisses musikalisches Grundwissen besitzen. Wer Louis Armstrong für einen Profiradfahrer hält, ist hier möglicherweise fehl am Platz. Zweitens gehört zu einer guten Jamsession das „Realbook“, die Bibel der Jazzmusik, in der so gut wie jeder Jazzstandard zu finden ist. Und schließlich bedarf es einer sogenannten „Opener- Band“, die das Konzert eröffnet und mit ihrem Repertoire einen groben Rahmen für die Session steckt. Für diese Aufgabe konnte der umtriebige Jazzgitarrist Oliver Fröhlich gewonnen werden, der oft direkt von seinem Studium am Institut für Musik und Musikpädagogik zu den Sessions radelt und sich seine Mitstreiter im Wochentakt aus den Hörsälen angelt. Für ihn sind die Jamsession im „Treibgut“ nicht nur eine innovative Abwechslung im Potsdamer Kulturkalender, sondern zugleich Kontaktbörse und Wissenstransfer. „Endlich bietet sich jungen Musikern die Möglichkeit, Netzwerke zu bilden und in den kreativen Austausch zu treten“, so Fröhlich. Noch ist die Veranstaltung im „Treibgut“ ein Geheimtipp, aber das könnte sich schon bald ändern. Wenn es nach Besitzer Stefan Schröder geht, sollen hier neben den „Jazzern“ demnächst auch Poeten, Schauspieler und andere Kleinkünstler eine Plattform finden. „Jeder, der der Welt was zu sagen hat, ist willkommen“, so die offene Einladung des Cafébesitzers.

Ab Herbst steht dafür auch eine kleine Bühne zur Verfügung. Nur zu laut darf es nicht werden, denn über dem Café befinden sich einige Wohnungen. Deshalb wird vorerst nur bis 22 Uhr gespielt. Wer also Lust hat, sein Können unter Beweis zu stellen oder einfach nur ein kostenloses Jazzkonzert genießen möchte, sollte sich kommenden Mittwoch um 20 Uhr in der Berliner Straße 149 im Café „Treibgut“ einfinden. Vielleicht ist er dabei, wenn an diesem Abend ein neuer Miles Davis entdeckt wird!

Philipp Kühl

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