Eindrucksvolles Festkonzert im Nikolaisaal zum 25. Geburtstag der Universität: Trost zum Jubiläum
„Ich bin nur ein einfacher Chorsänger und außerdem auch noch der Präsident der Universität Potsdam“, begrüßte Oliver Günther locker die Zuhörer im Nikolaisaal beim Festkonzert zum 25-jährigen Jubiläum der Universität. Nach erfreulich kurzen Sätzen stellte er sogleich die Gretchenfrage zum musikalischen Programm.
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„Ich bin nur ein einfacher Chorsänger und außerdem auch noch der Präsident der Universität Potsdam“, begrüßte Oliver Günther locker die Zuhörer im Nikolaisaal beim Festkonzert zum 25-jährigen Jubiläum der Universität. Nach erfreulich kurzen Sätzen stellte er sogleich die Gretchenfrage zum musikalischen Programm. Dass der Geburtstag ausgerechnet mit Musik zu Trauer, Tod und Trost begangen wurde, irritierte im Vorfeld wohl nicht nur den Präsidenten. Etwas überrascht erklärte Kristian Commichau, langjähriger Dirigent von Chor und Orchester der Universität, Campus Cantabile und Sinfonietta Potsdam, dass sich ihm diese Frage gar nicht stellen würde. Schließlich sei das Requiem von Johannes Brahms eines der schönsten und lebensbejahendsten Werke überhaupt, ein Trost für Trauernde und außerdem für die Sänger immer ein besonders lohnendes Stück. Zuvor gab es mit Ludwig van Beethovens zum Leidensthema durchaus passender siebter Symphonie ein Werk zu hören, an dem sich ein Orchester, zumal ein Laien-Orchester wie die Sinfonietta, die Zähne ausbeißen kann. Nicht zufällig wurde das vertrackte Werk von einem verblüfften Zeitgenossen als „Ausgeburt eines Tollhäuslers“ beschrieben.
Zwar wurden von der mit Musikern des Landespolizeiorchesters verstärkten Sinfonietta Potsdam nur die beiden ersten, noch vergleichsweise einfachen Sätze gespielt, doch trotz einzelner klangvoller Passagen fehlte es besonders im ersten Satz an Homogenität. Das Vivace erklingt in gemächlichem Thema, mal rumpelt es hier, mal dort, die Bläser schmettern wie in einem Fanfarenzug. Das lässt neuartige Klangwirkungen entstehen. Bedächtig, man meint sogar andächtig spielen die jungen Musiker den ingeniösen zweiten Satz und lassen musikalische Wendungen farbig und feinsinnig erklingen. De profundis – aus der Tiefe der Todesgedanken spricht Johann Sebastian Bachs Geistliches Lied „Komm süßer Tod“, das von Knut Nystedt für vier bis fünf vierstimmige Chöre bearbeitet wurde. Die an den Seiten und auf der Bühne des Nikolaisaals postierten, weit über einhundert Sängerinnen und Sänger vom Campus Cantabile machten daraus ein umfassendes Klangerlebnis.
Mit dem Deutschen Requiem gelang Johannes Brahms der Durchbruch zum Ruhm. Dabei steht es zwischen vielen Stühlen, denn es handelt sich nicht um eine Totenmesse und überschreitet freimütig die Grenzen der Gattung. Nicht Leid und Klage bestimmen die Aussage, sondern die Tröstung der Lebenden im Angesicht des Todes – selig sollen sie werden, heißt es zu Beginn und am Ende. Der packende musikalische Kosmos des Werks schöpft aus tiefsinnigen Bibeltexten, die Brahms nach eigenem Gutdünken zusammengestellt hat. Jeder der sieben sorgfältig einstudierten Sätze zeigt viel Profil – vom meditativen Beginn mit dem Orgelpunkt in den dunklen Streichern über innige Klänge der Holzbläser bis hin zu manchmal sehr kräftigen Furioso-Passagen. Von intensiven Proben zeugt der Chorgesang mit gut abgerundetem Piano, klaren Phrasierungen, rhythmischer Präzision in den Fugato-Abschnitten und weitgehender Ausgewogenheit. Über den Klangwogen schweben – individuell und quasi überirdisch zugleich – die Stimmen der beiden Solisten. Matthias Vieweg, Bariton, gibt der persönlichen Bitte „Herr, lehre doch mich“ innigen Ausdruck, gesteigert zu siegesgewisser Zuversicht im dramatischen Gipfelpunkt des sechsten Satzes. Von den ewigen Freuden singt Doerthe Maria Sandmann im wundervollen vierten Satz mit feinem, reinem, ergreifendem Sopran, sodass die Idee des Trostes auf einmal ganz lebendig dasteht.
Brausender Beifall belohnt die Aufführung, die nicht nur als ungewöhnlichstes Jubiläumskonzert sondern auch als eines der eindrucksvollsten in die Geschichte der Universität Potsdam eingehen wird.
Babette Kaiserkern
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