Kultur: Tröstliches von drei B-Komponisten Sinfoniekonzert des Collegium musicum
Wann immer das Collegium musicum Potsdam in der Friedrichskirche ein Sinfoniekonzert musiziert, sind Schiff und Emporen rappelvoll. So auch am Wochenende, als die Laienmusiker von ihrer künstlerischen Auseinandersetzung mit drei B-Komponisten künden: Bach, Brahms und Benschu.
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Wann immer das Collegium musicum Potsdam in der Friedrichskirche ein Sinfoniekonzert musiziert, sind Schiff und Emporen rappelvoll. So auch am Wochenende, als die Laienmusiker von ihrer künstlerischen Auseinandersetzung mit drei B-Komponisten künden: Bach, Brahms und Benschu. Dass dabei manches Getragene und Tröstliche erklingt, ist Totensonntagsgedenken geschuldet.
So beginnt das anderthalbstündige Konzert unter der Leitung von Knut Andreas mit Johann Sebastian Bachs geistlichem Lied „Komm süßer Tod, komm sel’ge Ruh’“ BWV 478 aus dem Schemellischen Gesangbuch. Und zwar in einer romantischen Bearbeitung von Leopold Stokowski, deren seelenwunde Stimmung sich tempobreit und in dunklen Farben verströmt. Ein Bläserchoral sorgt zwischendurch für düstere Erhabenheit.
Ungewöhnlich die nachfolgende Totenmesse, ein Requiem für Sopransaxophon und Orchester von Knut Andreas und Ralf Benschu, die ohne die menschliche Stimme auskommt. Eine reizvolle, assoziationsreiche und hörerfreundliche Novität von zwanzigminütiger Dauer. Sie nimmt die Teile der Liturgie und ihres Textes beim soloinstrumentalen Wort, von „Keimzeit“- und „Meier’s Clan“-Mitglied Ralf Benschu entweder in freier Improvisation oder nach auskomponierten Passagen vorzüglich vorgetragen. Im „Introitus & Kyrie“ suggerieren dumpfe Schläge der Großen Trommel die Unerbittlichkeit des Geschehens. Dann wird die Musik heiter, nahezu fröhlich, was einem eingearbeiteten brasilianischen Popsong zu verdanken ist. Dessen Melodie, Harmonie und Rhythmus finden sich in allen sechs „Requiem“-Abschnitten, sozusagen als gedankliches Halteseil.
Fast unentwegt schieben sich über besinnliche Klangflächen solche, die darüber zu schweben scheinen. Sie entbehren nicht des jazzigen Einflusses. Ganz requiemgemäß beschwört das „Dies irae“ die Tage des Zorns – in schrillen, abgerissenen Floskeln. Sie werden monoton, mit kleinsten harmonischen Veränderungen à la Minimal Music wiederholt und gewinnen sich so motorischen Antrieb. Ein „Intermezzo“-Teil hört sich gar wie Rummelplatzmusik an. In dieser Spannbreite folgt Nummer auf Nummer. Gegen Ende verschmelzen sie attacca ineinander.
Wer den Liturgietext kennt und verinnerlicht hat, ist fein raus: er kann sich in den einzelnen Stationen der Stimmungen und Fürbitten mühelos zurechtfinden. Und den anderen gibt die überaus plastische Transformierung von Wort in pure Musik die nötige Hilfestellung. Dass manche Zuhörer dennoch die Abfolge zerklatschen, spricht nicht für ihr inneres Beteiligtsein. Eine virtuos vorgetragene Solokadenz sowie Einwürfe von Flöte und Harfe führen „In Paradiso“. Eine mit herzlichstem Beifall belohnte Uraufführung.
Mit der freundlichen, aber sehr schwer zu spielenden Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 73 von Johannes Brahms kommt zum Abschluss ein Werk zur Aufführung, das die Musiker „auch mal spielen wollten“, wie zuvor unter der Hand zu erfahren ist. Doch bei allem guten Willen und engagierter Spielbereitschaft: sie kommen schnell an die Grenzen ihres instrumentalistischen Könnens. Genaues Tönetreffen wird zur Glückssache, das Suchen nach Geschmeidigkeit und Glanz ebenso. Kurzum: ihr Griff zu den Sternen geht gründlich daneben. Man überhäuft sie dennoch mit Beifall. Peter Buske
Peter Buske
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