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Kultur: Trutzburg des Glaubens

Potsdamer Kantorei und Neues Kammerorchester Potsdam führten das Weihnachtsoratorium IV-VI auf

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Hierzulande hat der Alltag längst wieder begonnen, doch woanders erstreckt sich die Weihnachtszeit zumindest bis zum sechsten Januar, dem Drei-Königs-Tag. Auch das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach endet mit dem Besuch der drei Weisen aus dem Morgenland beim neugeborenen Jesuskind, was zugleich als Fest der Erscheinung des Herrn, Epiphanias genannt, alljährlich vielerorts gefeiert wird. Dazu passend führten die Potsdamer Kantorei und das Neue Kammerorchester Potsdam unter der Leitung von Ud Joffe in der sehr gut besuchten Erlöserkirche die Teile IV bis VI des Weihnachtsoratoriums auf.

Während die ersten drei Teile die Weihnachtsgeschichte im engeren Sinne erzählen und dabei den Erzengel, Mutter Maria und die frommen Hirten zu Wort kommen lassen, geht es in den folgenden Teilen abstrakter zu. Wohl auch ein Grund für die geringere Bekanntheit dieser Teile. Betrachtung und Anbetung stehen im Zentrum der vierten Kantate, die wie auch die folgenden den Stall von Bethlehem zum Schauplatz haben. Mit warmen Hornklängen und vollstimmigem Chor „Fallt mit Danken, fallt mit Loben“ beginnen das Neue Kammerorchester Potsdam und die Potsdamer Kantorei. Die Solisten Antje Perscholka (Sopran), Regina Jacobi (Alt), Volker Arndt (Tenor) und Jörg Gottschick (Bass) harmonieren allesamt sehr gut mit ihren Partien und dem musikalisch-dramatischen Gefüge. Effektvolle, barocke Spielweise kennzeichnet die zierliche Sopranarie „Flößt mein Heiland“, die einen inneren Seelenmonolog darstellt, der von Oboekantilenen lieblich umrankt und von vokalen Echos zustimmend beantwortet wird.

Der Tenorarie „Ich will nur dir zu Ehren leben“ verleiht Volker Arndt wohlgesetzte Strahlkraft, die auch in den ausladenden Melismen nicht nachlässt. Der Innigkeit der vierten Kantate steht die größere Dramatik der fünften und der sechsten Kantate gegenüber, die von der Ankunft der Weisen und den beginnenden Nachstellungen des Herodes berichten. Beispielhaft für die gewachsene Glaubensgewissheit steht der Eingangschor mit seiner hochkomplexen Struktur, dem aufsteigenden Stimmengefüge und den wohlüberlegten instrumentalen Einsätzen.

Chor und Orchester entfalten glänzende Pracht, nur der Basso continuo erliegt klanglich und rhythmisch einem allzu statischen Vorwärtsdrängen im Stil eines „walking bass“, leider nicht nur an dieser Stelle. Herausragend gelingen die Alt-Rezitative mit obligater Begleitung, denen Regina Jacobi dramatische Stimmfärbung verleiht. Auch das opernhaft italianisierende Terzett „Ach, wenn wird die Zeit erscheinen“ mit Frage (Sopran, Tenor) und Antwort (Alt) wird sehr lebendig gesungen und musiziert – nicht zuletzt durch die klanglich erlesenen Violinfigurationen von Wolfgang Hasleder.

Zur strahlenden Trutzburg des neuen Glaubens gerät die sechste Kantate mit Pauken und drei redlich spielenden Bachtrompeten. Ausnahmen im mächtigen Wogen der Chöre und Choräle bilden die anmutig schwebende Sopran-Arie „Nur ein Wink“ und die schnörkellos aufrecht gesungene Tenor-Arie „Nun möget ihr stolzen Herrn schrecken“. Bis hin zum ausladenden Finale überzeugt die Potsdamer Kantorei mit ausgefeiltem, homogenen Gesang, sehr guter Artikulation und Phrasierung. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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