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Intrigen funktionieren. Nicia (Georg Kaser) und Ligurio (Matthias Horn, r.).

© promo

Kultur: Turbo-Slapstick im historischen Kostüm Das Monbijou-Theater gastierte in Potsdam

„Gute Unterhaltung“ wünschte das Berliner Monbijou-Theater am frühen Sonntagabend seinen zahlreich erschienenen Gästen in Fridericus’ Heckentheater gleich neben dem Neuen Palais. Gute Unterhaltung für das Stück eines Autors, den der Preußen-King als „Ungeheuer“, welches die Menschheit „austilgen will“, charakterisierte.

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„Gute Unterhaltung“ wünschte das Berliner Monbijou-Theater am frühen Sonntagabend seinen zahlreich erschienenen Gästen in Fridericus’ Heckentheater gleich neben dem Neuen Palais. Gute Unterhaltung für das Stück eines Autors, den der Preußen-King als „Ungeheuer“, welches die Menschheit „austilgen will“, charakterisierte. Es muss irgendetwas Gefährliches, ja Staatsgefährdendes an diesem Erz-Renaissance-Menschen Niccolò Machiavelli (1469-1527) gewesen sein, sonst hätte dessen Buch „Der Fürst“ den alten Preußen nicht so aufgebracht. War des Florentiners Komödie „La Mandragola“ von 1520 aus demselben Holz? Mit seiner Geschichte „Verheiratete und dazu auch noch ehrbare Dame wird mit Hilfe des Klerus dazu gebracht, einen Fremden ins Ehebett zu nehmen“ könnte durchaus mehr als nur eine Commedia dell’arte-Schnurre gemeint gewesen sein, zumal der Gatte dieser ehrbaren Dame als Rechtskundiger dabei noch kräftig mithalf. Viel Raum für Subversion, viel Raum für gute Unterhaltung – sogar mit einem Thespis-Wagen! Die Begrüßung der etwa 300 Besucher durch die Schauspieler fand noch auf dem Parkweg statt.

Der Florentiner Machiavelli rechtfertigt in seinem Prolog die These, wonach der Zweck die Mittel heilige und dabei sogar noch Vergnügen entstehen könne. Aufhebung der bisherigen Moral, das war gemeint, und ist sehr aktuell bis heute. Die Berliner vom Monbijou-Theater wollten aber nicht so tief, sie boten Sommerspaß nach Art von Commédia burlesque und Turbo-Slapstick im historischen Kostüm. Auch nicht wenig, nur etwas ganz anderes. Callimaco (Thorbjörn Björnsson) hatte bereits in Paris von der Schönheit der Unnahbaren gehört. Sterben wollte er, wenn er diese Frau nicht rumkriegt. Da konnte der mephistoähnliche Heiratsvermittler Ligurio (Matthias Horn, zu wenig böse) natürlich helfen, zumal schon damals alles übers Geld lief. Er bringt Lucrezias eigentlich ganz vernünftigen Gatten Nicia (Georg Kaser) auf seine Seite, denn der wünscht sich sehnlichst einen Stammhalter, den er mit der Gattin (Sara Löffler) nicht zeugen kann. Zum Glück gibt es für solche Fälle die zauberkräftige Alraunwurzel, die Mandragola. Und so kommt nach etlichen Turbulenzen, Bestechungen, Verwechslungen und Verkleidungen alles, wohin es hinkommen soll, damit der Zweck die Mittel heiligt. Neben Ligurio wirken dabei Lukrezias Mutter (Roman Kanonik im Reifrock wie ein gewisser Contest-Sänger bebartet) und ihr Beichtvater Timoteo (Christian Schulz) kräftig mit. Er erklärt den außerehelichen Beischlaf sogar für gottgefällig, was für ein Hieb gegen die Kirche, die Moral! Nur damals?

In Alberto Fortuzzis Gastspiel-Inszenierung ist von diesem hintergründigen Feuer kaum etwas zu spüren. Er lässt zügig und stegreifartig spielen, wobei es an Be- und Anzüglichkeiten nicht mangelt. Typen statt Charaktere, versteht sich. Das Publikum ist „dichte bei“, manchmal etwas zu dicht. Die Gesten sind groß, die Stimmen stark bis an den Rand der Heiserkeit. Und als es dann auch noch von oben tröpfelt, bringt die spät auftretende, viel zu blasse Lucrezia dies in ihrem Notschrei gegen die eigene Mutter ein. Sie hätte das ganze Moralpaket des Stückes zu schnüren und zu verteidigen gehabt, hier aber kam sie über eine ausdruckslose Statistenrolle nicht hinaus. Dafür gab es der szenischen, teils übermütigen Einfälle viele, beim Quietschen des imaginären Türschlosses am Thespiskarren, bei der Erstuntersuchung von Nicias Prostata, beim Orgelspiel des unheiligen Gevatters mit anschließendem Witwen-Koitus hinter dem Vorhang bei gutem Gegenwind. Alles blieb in der heiteren Schwebe, war nicht ernster gemeint als ein Sommervergnügen, auch an den friderizianischen Theater-Hecken. Gute Unterhaltung mit ganz leichtem Tiefgang also, nicht mehr, nicht weniger. Respekt trotzdem, nicht jedes Ensemble ist so spielvergnügt drauf wie dieses. Gerold Paul

Gerold Paul

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