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Kultur: U-Bahn is’, wat unten fährt!

„Der dicke Hund“ wetteiferte im Kabarett

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„Der dicke Hund“ wetteiferte im Kabarett Wettbewerb ist immer gut fürs Brettl-Geschäft. Begrüßenswert also, wenn Ralf Esswein einen bundesweiten Kleinkunst-Ausscheid ins Leben rief, ihn sinnigerweise „Dicker Hund“ nannte und seine Vorentscheidungen auf mehrere Städte Deutschlands verteilte. Auch das „Obelisk“ durfte mitmachen. Am Samstag hatten sich drei „Junge“ des Genres Kleinkunst/Comedy angesagt, ein jeder auf vierzig Minuten. Als Emma Rönnebeck aber krankheitshalber ausfiel, bekamen die Berliner Volker Surmann und Rolf Kuhl etwas länger Zeit, das ausgelobte Prinzip „Kabarett, Chanson, Improvisation“ nach besten Kräften zu bedienen. Eine mehrköpfige Jury (mit OB Jann Jakobs) im Hintergrund sollte befinden, wer im November zum Endausscheid nach Badenweiler fährt. Gute Idee, zumal diese Veranstaltung ein so zahlreiches wie lebhaft interessiertes Publikum fand, besonders unter den Damen. Helmut Fensch ermunterte, recht doll zu klatschen, „wenn es lustig ist“, 30 Prozent des Beifalls gehe nämlich in die Jury-Entscheidung ein. Draußen indes schritt ein Passant die Charlottenstraße entlang, sich selbst als „besten Mann von Potsdam“ ausrufend – wahrscheinlich ein unbekannter Kabarettist. Um es vorwegzunehmen: Von dieser hohen Schule war beim Ausscheid keine Spur. Politik wurde von beiden Kandidaten am Vorabend der Wahl fast durchweg ausgelassen, Improvisation geriet, nach starkem Start, sogar zum Notprinzip des Urberliner Typen Kuhl, dieweil Surmann dessen Namen zum Thema seiner Comedy-Show machte. Die Frage war also nicht, was man seinem Publikum zu sagen hätte, sondern wie man es am geschicktesten unterhält; fast wie im Fernsehen, bei Kröner. Beide wären sogar ideale Partner, denn was der eine hat, schien dem anderen zu fehlen: Surmann jung, der andere etwas reiferen Alters, dieser mit einem bedachten und durchgestellten Programm, Kuhl mit Staubsaugerröhren und Kleiderbürsten ringend, der ein Kopfmensch, die Konkurrenz aus dem Bauche agierend. Reden können beide ohne Ende, beide duzten ihr Publikum, beide verlasen auffälligerweise ein selbstgeschriebenes Skript. Sie waren aber kein Paar – wer würde gewinnen? Surmann nannte sein ruhig beginnendes Programm „Die wahre Nacktheit oder Meine heutige Jugend“, eine mit Spielszenen angereicherte Privatplauderei über sich, die Welt und seinen Therapeuten. Es ging um Anpassungszwänge und Altersängste, wie man „cool“ werden kann, oder nicht. Das purzelte zwar manchmal durcheinander, war aber trotzdem harmlos-unterhaltend. Viel Beifall. Rolf Kuhl startete als BVG-Angestellter mit einem tollen Entree, wobei er auch vor der Androhung eines Gummiknüppels nicht zurückschreckte. Bedrohlich blieb sein Kampf mit dem mitgebrachten Flaschenbier. Er hatte statt eines rotgefädelten Planes nur einen Stichwort-Zettel nebst „Berliner Schnauze“. Wie andere von dort fragte auch er die Provinz, ob man dies und das schon kenne, die Metro zum Beispiel. Antwort vom Parkett: „U-Bahn is’, wat unten fährt“. Doch Improvisation ist eben nicht alles. Was er da als Wettbewerbsbeitrag ablieferte, hätte für den Zirkus gereicht. Ein dicker Hund, zugleich eine Lehrstunde in eigener Sache: Er spielte mit dem Publikum so heftig, bis ihm alle Kontrolle entfuhr. Man nahm ihn nicht mehr ernst. Surmann hatte zwar rechtens gewonnen, beiden aber versprach die wie stets gut aufgelegte Kabarett-Chefin, vor Ort und demnächst mit einem „Vollprogramm“ dabei zu sein. Gerold Paul

Gerold Paul

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