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Nur Luxusprobleme? Als Jenny von einem Steg ins Wasser springen will, geht der aus Afghanistan stammende Asip dazwischen. Doch ganz versteht er ihre Probleme nicht, bei dem was er in Afghanistan durchlitten hat.

© HL Böhme/HOT

„Asip und Jenny“ am Hans Otto Theater Potsdam: Über Brücken

Das Jugendtheaterstück „Asip und Jenny“ hat am Mittwoch am Hans Otto Theater Premiere

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Moral mag Robert Neumann nicht so sehr. Zumindest, wenn sie auf dem Präsentierteller einer Geschichte verkleidet daherkommt. „Letztendlich wissen wir es auch nicht besser“, sagt er, wenige Tage vor seinem Regiedebüt am Hans Otto Theater. „Asip und Jenny“ inszeniert er hier am Haus. Am Mittwoch ist Premiere.

Er ist einer, der sich herantastet mit den Worten an die Wahrheit, an den Kern dessen, was er sagen will. So läuft es auch in seinen Stücken: Peu à peu soll sich die Handlung in ein Drüber-Nachdenken entwickeln. Besser wissen will er nichts, und das ist vielleicht das Wichtigste, wenn man, wie er, für Kinder und Jugendliche inszeniert. Deshalb hat er in dem Stück von Angela Schneider auch noch einiges verändert. Damit manches offen bleibt, sich nicht alles moralisch auflöst. „Zuerst war am Ende alles gut – aber das ist es nicht“, sagt Robert Neumann. Hoffnung: ja. Aber dass sich alles in Wohlgefallen auflöst, das wäre Quatsch. Weil das Stück höchst aktuell ist – es geht um Asip, der aus Afghanistan geflüchtet ist, um das, was der Krieg Kindern und überhaupt allen antut. „Und wir wissen eben nicht, ob alles wieder gut wird“, so der Regisseur Neumann.

Überhaupt wäre das Happy End ja in jedem Umfeld absurd, das wissen auch 13-jährige Zuschauer schon. Und Asip ist im Stück nicht der Einzige, der Probleme hat, es gibt da ja noch Jenny. Mit der fängt überhaupt die ganze Geschichte an.

Die beiden, etwa 17 Jahre alt, treffen sich auf einer Brücke – unfreiwillig, aber unglaublich symbolisch. Die Brücke ist bei Robert Neumann ein beweglicher Steg, der eben das, aber auch vieles mehr sein kann. Der spiegelnde Boden kann ein Fluss sein, aber auch den Überfluss reflektieren, in dem die westliche Welt heute lebt.

Um eben diesen Überfluss geht es auch in „Asip und Jenny“. Darum, dass man auch in Wohlstand und Frieden todunglücklich sein kann. Und dass es trotzdem wichtig ist, die eigene Perspektive zu verlassen. Eine Brücke zu bauen zu anderen. Erst einmal aber will Jenny springen; Asip, der zufällig vorbeikommt, sieht es, reißt sie zu Boden. Sie beißt ihn, beschimpft ihn, bis alles aus ihr herausbricht. Ihre Mutter: interessiert sich nicht für sie. Der Stiefvater: abgehauen. Ihr Freund: jetzt mit ihrer besten Freundin zusammen. Da kann man schon mal genug haben. Oder?

Im Vergleich zu dem, was Asip erlebt hat, scheinen Jennys Probleme Luxus zu sein – Neumann legt aber großen Wert darauf, dass sie genau das nicht sind. „Auch für sie geht es um Existentielles, ihre Probleme sind genauso wichtig wie seine“, sagt er. Im Stoff geht es um die Sichtweise – aus welcher Position guckt man auf sein Leben und auf das des anderen? Dazu aber darf man keine Scheu davor haben, sich mit dem anderen auseinanderzusetzen.

Aber es stimmt schon: Auch Asip, aus Afghanistan geflohen, hat einiges zu erzählen. Oder hätte. Erst einmal hört er ihr nur zu. Jeden Abend. Auf der Brücke. Aber auch er ist ohne Vater, wenn auch aus ganz anderen Gründen.

Und trotzdem sieht Jenny anfangs alles durch ihren eigenen Filter: Asips Vater ist noch in Afghanistan? Klar, auch er muss die Familie verlassen haben, Väter sind eben überall Arschlöcher. Dass sein Vater einfach tot sein könnte, ist für sie unvorstellbar. Auch sonst hat sie Vorbehalte. Dort, wo Asip herkommt, ist ohnehin alles schlimm. Das kann Asip zwar nicht leugnen – er kann ihr aber auch von ziemlich viel Schönem erzählen, das es eben gleichzeitig gibt.

„Eine Mutter etwa, die nie da ist, nie zuhört, kann er sich wiederum nicht vorstellen“, sagt Robert Neumann. Weil seine Mutter, trotz all dem Schlimmen, immer für ihn da ist. „Da prallen schon kulturelle Gegensätze aufeinander“, sagt der Regisseur. Oder vielleicht ist es auch eine Klassenfrage: totale Individualisierung um Turbokapitalismus, Familie und Tradition als absolute Werte in Afghanistan.

Das klingt dann schon ein bisschen so, als würde Neumann seinem Anspruch gerecht werden: „Ein Theaterabend, der für Kinder und Jugendliche ist, sollte auch für Erwachsene funktionieren“, sagt der Regisseur, der sonst am Berliner Grips-Theater inszeniert. Er will, auch ästhetisch, nicht nur für Kinder inszenieren, alle sollen etwas mitnehmen können. Das heißt aber nicht, dass er Kinder als Publikum nicht ernst nimmt – ganz im Gegenteil. „Stücke für Kinder und Jugendliche zu machen, das ist für mich sehr sinnhaft“, sagt er. Wer zum ersten Mal ins Theater kommt, soll dafür eine Tür geöffnet bekommen.

Bei Erwachsenen ist immer eine gewisse Bildung da, Erfahrung, Sehgewohnheiten. Kinder sind aber durchaus strenge Zuschauer. „Wenn es zu langatmig wird, zu wenig schnelle Schnitte, dann sind die raus“, sagt Neumann. Das ist auch eine Rückkopplung anderer Medien. Filme, Video-Spiele, fast alles wird und wurde in den vergangenen Jahren rasanter. Auch die Codes der Digital Natives sind ganz andere als die der Generation um die 30, zu der auch der 1978 geborene Neumann gehört. Und klar, das Theater, zumindest das Jugendtheater, wird sich dadurch auch verändern, glaubt er.

„Asip und Jenny“ hat am kommenden Mittwoch, 6. April, um 18 Uhr in der Reithalle des Hans Otto Theaters, Schiffbauergasse, Premiere. Die Veranstaltung ist ausverkauft. Weitere Termine am Donnerstag, 7., Freitag, 8. und am Montag, 11. April.

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