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Kultur: Über Liebhaber, Handtaschen und Dealerinnen

Die am Sonntag beginnenden 7. Frauenkulturtage offenbaren „Mamalia – Das weibliche Prinzip“

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Die am Sonntag beginnenden 7. Frauenkulturtage offenbaren „Mamalia – Das weibliche Prinzip“ Das diesjährige Thema der Frauenkulturtage deckt erst einmal eine Wissenslücke auf. Überschrieben mit „Mamalia – Das weibliche Prinzip“ kommt sicher so mancher ins Stutzen. Für Erhellung sorgt wie immer der Blick in den Duden, der Mammalia als Sammelbezeichnung für Säugetiere erklärt. Nun steht also das so angenehm weich klingende Wort Mamalia (das von den Frauen um ein M beraubt wurde) dem knochentrockenen Wort Prinzip gegenüber. Natürlich gewollt, wie Anna Brömsel und Heiderose Gerber vom Frauenzentrum betonen, denn in einem ständigen Spannungsfeld befinden sich auch die Frauen und demzufolge als künstlerischer Reflex darauf die Frauenkulturtage. Doch diese werden sich nicht nur um die Rolle der Frau und deren Benachteiligungen drehen. „Etwas wichtiges ist bei der Geschlechter-Debatte dazu gekommen: die Einsicht, dass auch Männer mit ihrer Rolle zu kämpfen haben.“ Mit diesem geweiteten Horizont verlässt das Frauenzentrum ab Sonntag seinen geschützten Raum und zieht eine Woche lang mit den verschiedensten Veranstaltungen in verschiedene Häuser. Der Auftakt ist aber erst einmal open air: So gibt es am Sonntag, den 14. September um 15.30 Uhr (Treff am Frauenzentrum) einen außergewöhnlichen Stadtspaziergang. Nachgespürt wird dem Leben der Soldatenweiber, Fürstinnen, Weberinnen ... Wie sah er aus der Alltag einfacher Frauen, der Waschweiber, Waisen und Marktfrauen? Welchen Einfluss hatten die Hohenzollernfrauen, was brachten sie mit, außer ihrer Mitgift? Die sachkundige Führung mit Beate Neubauer klingt schließlich bei einem Glas Wein gemeinsam mit dem Förderverein des Frauenzentrums aus. Ein Mikrokosmos der besonderen Art versteckt sich in den geheimnisumwobenen Handtaschen der Damen. Nichts ist verwerflicher, als dieses bestgehütete Geheimnis zu knacken. Doch die Frauenkulturtage setzen sich - natürlich spielerisch - über diese Tabuzone hinweg und wagen bei ihrer Open-Air-Straßenaktion am 17. September (Start ist um 13 Uhr an der Grünen Familie) durchaus einen Blick in dieses „Universum“. Die den drögen Einkaufstrott aufbrechenden Straßenaktionen gehören seit Anbeginn zu den Frauenkulturtagen, „und wir haben die Erfahrung, je offensiver wir auf die Passanten zugehen, um so besser.“ Um das heiße Thema Fremdgehen ranken sich die Bücher „Ich habe einen Liebhaber“ und „Wir sind die neuen Liebhaber“ von Martina Rellin, die am 18. September in der Stadt- und Landesbibliothek zu Gast ist. Ähnlich Maxie Wanders Protokollen „Guten Morgen, du Schöne“, berichten auch hier Frauen ganz authentisch über sich: wie sie mit ihrem Liebhaber kleine Fluchten aus dem Alltag erleben, über ihre Lust am Geheimnis, und Dinge, die mit dem festen Partner schon lange nicht mehr möglich sind. „Man braucht eben zwei Männer, einen für den Tag, der da ist, der einen auffängt, und einen für die Nacht“, so die wiederholte Erfahrung der Befragten. Auch die Männer geben Auskunft: „Die neuen Liebhaber erleben Lust und Leidenschaft mit starken, selbstbewussten Frauen, sie haben Teil an der Freiheit der Frauen und sie genießen das –“, schreibt Martina Rellin in ihrem Vorwort. Nicht nur einen Liebhaber hat die Landarbeiterin Darlene, die in dem Film „Ich Du Sie - Darlenes Männer“ über ihr ärmliches, oft auch unglückliches, aber dennoch lebbares Leben Auskunft gibt. Insgesamt drei Streifen sind in die Frauenkulturtage eingebettet. „Antonias Welt“, für den Marleen Gorris den Oscar als besten ausländischen Film erhielt, führt zurück ans Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Städterin Antonia kehrt mit ihrer Tochter zurück ins Dorf ihrer Kindheit, um ihre Mutter zu beerdigen und um wieder dort zu leben. Was man tut oder lässt, mit wem man schläft oder besser nicht umgeht, ist seit Hunderten von Jahren geregelt. Doch Antonia will sich nicht in diese Regeln pressen lassen. Sie führt ein selbstbestimmtes Leben. Hinter die Mauern von „Gotteszell – Ein Frauengefängnis“ führt der 2001 gedrehte Film von Helga Reidemeister. Die Regisseurin schaut auf die Menschen hinter den Prozessakten – von 300 Insassinnen lässt sie sechs zu Worte kommen: Dealerinnen, Brandstifterinnen, Totschlägerinnen, vier Beamtinnen. Zu sehen im Filmmuseum. Abgerundet wird der bunte Genre-Mix des einwöchigen Festivals von Frauen nicht nur für Frauen mit tänzerischen Kreationen. Und auch diese am 19. und 20 September vorgestellten vier Choreografien könnten unterschiedlicher kaum sein. Die „Tanzskulpturen“ von Susanne Kirchner wirken tatsächlich wie eine Plastik, „ganz still und ohne Musik verbiegt sich die Tänzerin wie zu einem neuen Körper. Das ist abstoßend und faszinierend zugleich“, beschreibt Anna Brömsel diese Darstellung. Wie ein Wesen vom anderen Planeten kommt die Norwegerin Heini Nukari mit ihrer „Station Kautschuk“ daher. Ganz nackt, nur mit Gummistiefeln „bekleidet“, eine einsam Reisende, Nomadin oder Captain einer Raumstation. Auch Mathilda Leyser hebt ab, am schwebenden Seil erzählt sie mit größter Leichtigkeit aus ihrem Leben: hintergründig und humorvoll. „Herb und reduziert, aber dennoch sehr schön“, kommen die Bewegungen von Heike Henning daher, macht Anna Brömsel neugierig. Die Choreografie „Sosha“ erzählt, wie ein kalter Falter schwerelos auf Rahels Herz landet. Dort wo seine eisigen Beine ihr Herz berühren, bekommt sie Gänsehaut. Kontraste, Spannungen, Lebendigkeit – die Frauenkulturtage sind davon durchzogen. H. Jäger

H. Jäger

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