Kultur: Übertrieben schnell und edelkitschig
Neues Kammerorchester Potsdam eröffnet seine Saison 2004/2005 in der Erlöserkirche
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Neues Kammerorchester Potsdam eröffnet seine Saison 2004/2005 in der Erlöserkirche Viele Wege führen nach Rom, nicht wenige zu Mozart. Sie zu begehen, ist Anliegen der diesjährigen Konzertsaison des Neuen Kammerorchesters Potsdam unter Leitung von Ud Joffe. Das Ziel: Mozarts 250. Geburtstag im Januar 2006. Als Wegweiser dorthin wird die Klarinette dienen, aufgestellt beim Eröffnungskonzert am Donnerstag in der Erlöserkirche. Ehrfurcht vor dem Vorbild habe er gespürt, als er 1987 sein Klarinettenkonzert geschrieben habe, bekennt der 1922 in Breslau geborene und in Tel Aviv lebende Komponist Yehezkel Braun. Beeinflusst hätten ihn Tonart und Besetzung von Mozarts Meisterwerk in A-Dur KV 622, mehr nicht. Man hört es. Von einem Solo der Klarinette eröffnet, findet sich das Instrument alsbald in einem tiefgetönten romantischen Kuschelsound der Streicher geborgen. Unbeeinflusst von westeuropäischer Avantgarde singt sich das lebenssüchtige und melodienselige Werk in seinen drei Sätzen freundlich aus, überhaucht von der Sentimentalität jüdischer Schtetl-Provenienz. Da war, pardon, Mozart in seinen harmonischen Wendungen aber wesentlich moderner. Klarinettensingen obwaltet auf ganzer Linie, das Shirley Brill als Musterschülerin von Sabine Meyer natürlich vorzüglich beherrscht. Mühelos lässt sie dem Atem strömen, formt dolce e cantabile wunderschön warme und weiche Töne, bindet sie zu samtig schimmernden Klanggirlanden. Keck und gefällig quirlt das Allegro-Finale vorüber. Dem gefühlsgetränkten musikalischen Edelkitsch samt seiner exzellenten Solistin fällt reichlicher, von Herzen kommender Beifall des Publikums zu, das sich ob der tonalen Zuvorkommenheiten angenehm überrascht zeigt. Apropos Amadeus. Als gelte es, den Weg zu ihm express zurückzulegen, joggt die eingangs erklingende G-Dur-Serenade „Eine kleine Nachtmusik“ KV 525 nahezu atemlos durch klar geformte, gläsern klingende, hell erleuchtete, dennoch von federnder Eleganz erfüllte Serenadengefilde. Dort scheint es allerdings nie Nacht zu werden. Im klangleichten Gepäck befinden sich erfreulicherweise weder Romanzen-Schmalzstullen noch sentimentale Gefühlsdrinks. Allerdings bleibt bei aller musikalischen Frische und Forsche die tonale Sauberkeit gelegentlich auf der Strecke. Zum Nachschwingen von Mozarts herrlichen Eingebungen voller Innigkeit und Charme hat es allerdings keine Zeit. Gleichfalls keine Zeit scheinen die Musiker bei der von drängender Intensität erfüllten Wiedergabe der g-Moll-Sinfonie KV 550 zu haben. Im fast durchgängigen Fortestampfen ist kontrastgeschärftes Musizieren angesagt. Den Klang hat der Dirigent dabei auf Brillanz getrimmt, um seine analytische Sichtweise auf die konfliktgeballten Seelenkämpfe zu verdeutlichen. Forcierungen bleiben dabei nicht aus. Zwischentöne und -farben sucht man genauso vergeblich wie Glanz und gestalterische Geschmeidigkeit. Ein stolperreicher Weg zum Meister. Peter Buske
Peter Buske
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