Kultur: Unangepasstes in gemütlicher Runde
Orgelkonzert mit Matthias Jacob in der Klein-Glienicker Kapelle
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Orgelkonzert mit Matthias Jacob in der Klein-Glienicker Kapelle Kinder, wie die Zeit vergeht. Fünf Jahre sind bereits ins Land gegangen, seitdem die neugebaute Schuke-Orgel der restaurierten Klein-Glienicker Kapelle das klangliche Sahnehäubchen aufsetzen konnte. Seither pilgern Scharen aus nah und fern zu diesem Kleinod märkischer Neugotik. Bekannte Organisten drückten inzwischen die harte Orgelbank, zogen mehr oder weniger fantasiereich die Register. Jüngst war es Matthias Jacob, der mit Werken des Barocks, der Romantik und Moderne für eine Stunde der Geborgenheit und Erbauung in der gemütlich-vollen Kapelle sorgte. Im Mittelpunkt seiner Bemühungen stand Johann Sebastian Bach. Doch was auf Jacobs Hausinstrument, der Woehl-Orgel, und in dem basilikanahen Gotteshaus zu prächtigster Klangentfaltung drängen kann, muss sich an der „Kapelle am Wegesrand“ arg beschränken. Greift man, wie Jacob es tat, bei den Präludien und Fugen C-Dur BWV 545 und c-Moll BWV 546 zum vollen Orgelwerk, wirkt die Klangfülle den Ohren regelrecht erschlagend. Was zur Folge hat, dass die Musik in der Enge des Raumes nicht ausschwingen kann, von der trockenen Akustik regelrecht verschluckt wird. Ergo muss ein Organist an dieser Stätte mit passenden Werken in angemessener Registrierung und Lautstärke aufwarten. Für das C-Dur-Opus wählt Matthias Jacob eine freudig-bewegte Sicht, die sich in geradezu federndem Zugriff offenbart. Überdies trägt sein gedanklich langer Atem dazu bei, dass das Laufwerk manualiter und im Pedal prächtig wirken kann. Leider viel zu laut. Daran krankt auch die Wiedergabe des Werkes in c-Moll, dessen strahlende Aura regelrecht eingezwängt erscheint. Die verwendeten Principalstimmen sorgen zusätzlich für eine gewisse Härte des Klanges. Wie ganz anders hören sich dagegen vier Bachsche Choralbearbeitungen an. Sie werden zurückhaltend intoniert und dem Raum angemessen registriert. Innerlich beschwingt und temporasch erklingt das „Komm, Gott, Schöpfer“ BWV 667; dunkelgetönt, mit hervortretender Melodiestimme „Meine Seele erhebt den Herrn“ BWV 648. Reizvoll lässt Jacob die Variationen des „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ BWV 645 erstehen: die hellgetönte Melodiestimme wird pedaliter mit lakonischen Stützakkorden versehen, dann tritt das „plärrige“ Vox-humana-Register hinzu Flehentlich bricht die Bitte „Wenn wir in höchsten Nöten sein“ BWV 668a auf. Im Rahmen des Orgelmöglichen registriert Jacob auch das „Präludium festiva“, das Gisbert Näther (geb. 1948) zur Weihe der Woehl-Orgel in der Friedenskirche komponiert hatte, kammermusikalisch sehr apart. Der zerklüftete Tonsatz mit seinen dissonanten Akkorden und dazwischen zwitschernden Flötenstimmen gewinnt sich zunehmend toccatische Aggressivität. Als weit weniger passend für das Schuke-Instrument erweisen sich auch Préludes, Fugue et Variation h-Moll von César Franck, denn für eine adäquate Wiedergabe fehlen schlichtweg die erforderlichen französischen Zungenstimmenregister, deren die Woehl-Orgel reichlich besitzt. Wieder einmal bewahrheitet sich: nicht alles, was man „drauf hat“, eignet sich zur Huldigung der Königin. Peter Buske
Peter Buske
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