Kultur: Unaufdringlich am Kitsch vorbeigespielt Briar Rose and Sunshine auf der John Barnett
Als der Hochsommer am Donnerstag durch Wind und Regen unterbrochen wurde, stellte sich so etwas wie Dankbarkeit ein – gemischt mit ein wenig Melancholie. Und zu genau diesem Zustand passte das Konzert von Briar Rose and Sunshine am Donnerstagabend auf dem Restaurantschiff John Barnett in der Schiffbauergasse.
Stand:
Als der Hochsommer am Donnerstag durch Wind und Regen unterbrochen wurde, stellte sich so etwas wie Dankbarkeit ein – gemischt mit ein wenig Melancholie. Und zu genau diesem Zustand passte das Konzert von Briar Rose and Sunshine am Donnerstagabend auf dem Restaurantschiff John Barnett in der Schiffbauergasse.
Sicher, dramatisch und auch etwas traurig geht es schon zu, wenn Tom Grabow mit akzentuiert-verspielten Schlägen seine Gitarre bearbeitet und dabei selbst in der Musik versinkt. Seine Begleitung Hanis Kottwitz steht etwas verloren neben ihm, trägt ein gardinenartiges Kleid und wirft ihrem Partner, der längst in einer anderen Welt ist, sehnsüchtige Blicke zu und schlägt ab und zu schüchtern das Tamburin. Meist ist das gar nicht nötig, denn Tom Grabow holt die Percussion selbst aus der Gitarre, indem er sie einfach flach auf seinen Schoß legt und auf die Saiten schlägt. Dass ihm dabei der Ärmel seines blauen Hemdes immer wieder herunterrutscht und in die Quere kommt, löst er mit eleganten Bewegungen aus dem Handgelenk.
Briar Rose, das ist die englische Bezeichnung für Dornröschen, und genauso verspielt märchenhaft ist auch die Musik. Grabow singt bluesig, ohne wehleidig zu sein, mit einer Traurigkeit, die weit entfernt von aufgesetztem Pathos ist – und begleitet sich mit simplen, akzentuierten Akkorden. Weil er aber nicht vor einem Auditorium spielt, sondern in einem Restaurant, singt er auch immer gegen einen gewissen Geräuschpegel an.
Und auf einmal, wie aus dem Nichts, beginnt das Schiff zu schwanken, erschrockene Blicke von den Tischen, während sich die Bewegung von den Füßen hinauf bis zum Kopf zieht, wo sie langsam verebbt. Wer hätte gedacht, dass die Havel zur rauen See werden könnte. Briar Rose and Sunshine nehmen das auf, der Rhythmus zum Song „Angel“ ist wilder als die Träumereien davor – und dann zückt Grabow die Mundharmonika, ein arg dylaneskes Instrument, das er jedoch wie ein Puzzleteil perfekt einzupassen weiß. Das kann er gut: Auch die Ukulele setzt Tom Grabow nicht etwa aus einer Experimentierlaune heraus ein, sondern ganz bewusst, weil er um deren Effekt weiß.
Und so kommt das hervor, was die Einzigartigkeit des Duos ausmacht: ein frischer Neofolk-Einschlag, der sich wohltuend von den schon zu oft gehörten, immer gleichen Klängen diverser Singer-Songwriter abhebt, die doch immer wieder dasselbe spielen. Wie oft strandet so etwas doch in Anspruchslosigkeit. Briar Rose and Sunshine bedienen zwar auch nur die klassischen Sujets – Sehnsucht steht im Mittelpunkt – aber bei ihnen geht es meist um Fernweh, mit Songs über Reisen, einen Rucksack und ein Paar Schuhe.
Gut, dass es noch so gut gemachte Songs gibt, die ohne triefendes Pathos auskommen und mit einer ehrlichen Unaufdringlichkeit zelebriert werden. Und die sich sogar in das dezente Rauschen eines Restaurantbesuchs einfügen, ohne darin unterzugehen oder sich hervorzudrängen. Und wenn Grabow dann nach guten zwei Stunden lückenloser Spielzeit den Song „Paying the Bill“ ankündigt, dann wirkt das nicht mal komisch, sondern passt einfach zu einem lauschigen Abend im Warmen – den die hervorragende Süßkartoffel-Räucherlachs-Suppe noch perfektionierte. Oliver Dietrich
Oliver Dietrich
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: