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Kultur: Unauflösbar

„Climate Crimes“ im Thalia-Filmgespräch

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Gibt es etwas Traurigeres als zwei einsame Orang-Utans, die in einer zerstörten Landschaft Borneos den letzten vertrockneten Baum hinaufsteigen, wo gar nichts mehr zu holen ist? Früher war hier Regenwald, grün und üppig, morgen wird hier eine Palmöl-Plantage entstehen, um die Autos der reichen Welt mit „umweltschonendem“ Benzin zu versorgen. Wie, Umweltschutz durch Umweltzerstörung? Der Ökologe Ulrich Eichelmann traute den frommen Regierungssprüchen von den alternativen Energien zur Rettung der Welt nicht so recht. Er reiste um die halbe Welt, um jene Bauprojekte zu besuchen, die den Regierungen als Legitimation für weitreichende politische und ökologische Entscheidungen dienten. Ob an den gigantischen Staudamm-Baustellen in Brasilien oder der Osttürkei, beim Maisanbau in Norddeutschland in Monokultur oder in Indonesien, wo jährlich auch noch Tausende Orang-Utans erschlagen werden, weil sie aus Hunger die Palmöl-Setzlinge auf den neuen Plantagen plündern – überall sah er, welch verheerenden Preis die „alternativen Energien“ fordern. Die Ergebnisse seines Entsetzens hat er 2012 in dem Dokumentarfilm „Climate Crimes“ (Umweltverbrechen) festgehalten. Am Donnerstag wurde der einstündige Streifen im Thalia-Filmtheater vor auffallend viel Publikum gezeigt. Natürlich bestätigte sein filmischer Erstling die These, dass Staudämme Wüsten schaffen, Natur und Kultur im Namen des Umweltschutzes vernichtet werden und menschlicher Siedlungsraum verloren geht. Warum aber dieses Entsetzen, sprach nicht schon die erste Öko-Generation mit Taylor, Gruhl oder Bahro vor Jahrzehnten davon? Seit damals ist es immer fünf nach zwölf, also Zeit genug zum Aufklären und Wachrütteln.

Der Film drängt den Zuschauer in schier unauflösbare Widersprüche, hier die intakte Welt mit zufriedenen Tieren und Menschen, dort Tabula rasa. Fachleute werden bemüht, Statistiken gequält, bis ein Schrei durchs Publikum eilt, weil „es“ nicht mehr so weitergehe. Natürlich ist dieser Film ganz „Tendenz“ und hatte in Babelsberg sein Ziel bald erreicht.

Trotz vieler Ein- und Widersprüche, zur Biogasproduktion etwa, sah man die Übeltäter weniger in Politik und Wissenschaft als in Wirtschaft und Bankwesen. Unendliches Wachstum geht eben nicht, man müsse sich begrenzen, noch mehr sparen. Eine Dame meinte sogar, zu viele Menschen auf Erden seien schuld an dem Übel! Überhaupt kam manches Büro, manch umweltbewegte Organisation ins Thalia: Man outete sich und lieferte mit sorgenschwerer, aber betont fachmännischer Miene ein Statement ab. Schon merkwürdig, auf der einen Seite sieht Ulrich Eichelmann die Zerstörung der Umwelt durch den jetzigen Umweltschutz, andererseits ist „mehr grünes Wachstum“ für ihn auch keine Option, das wollte er ja beweisen. Was also tun? Die Hilflosigkeit bei der Suche nach Antwort hat mit dem Konzept dieses Films zu tun. Er negiert den mächtigsten Motor dieser Entwicklung, die Globalisierung, sucht Lösungen ausschließlich da, wo er eben noch Verwüstung ortet, bei der alternativen Energiegewinnung. Riet Rudolf Bahro nicht, zuerst die „Inweltkrise“ zu bewältigen, bevor man Ökologie betreibt? Der Mensch ist die Lösung, nicht ein Staudamm irgendwo am Amazonas. Warum also benutzte der große Ökologe ständig Rhetorik und Begriffe der vermeintlichen Gegenseite, warum erwähnte er mit keinem Wort, dass es längst echte Alternativen zu allen bisherigen Energieformen gibt, die gar nichts kosten und gar nichts belasten, wie „Browns Gas“, eine Energiequelle aus Wasser? Vielleicht sieht er vor lauter Grün den Wald nicht mehr, oder nicht die Tendenz, die hinter allem so absichtsvoll steckt. Das wäre noch die günstigste Lösung für weinende Orang-Utans und Menschen.Gerold Paul

Gerold Paul

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