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Gäste, Gratulanten und Jubilare. Unter dem Motto Rosen für alle feierte der Nikolaisaal am Wochenende zum Saisonstart seinen 10. Geburtstag. Kiki Sauer, Sängerin bei den 17 Hippies, sorgte für musikalische Rosen, Scott Lawton, Dirigent des Deutschen Filmorchesters Babelsberg überreichte Andrea Palent, Geschäftsführerin des Nikolaisaals, 50 rote Rosen und der Schauspieler Sky du Mont sorgte mit seiner Frau Mirja für sprachliche Blüten.

©  M. Thomas

Kultur: Und es regnete Rosen

Der Nikolaisaal feierte sein zehnjähriges Jubiläum: Mit einem Rosenfest, „Love Storys“ im Boulevardstil und höchster Musizierkunst auf der Oboe

Stand:

Zum Zehnjährigen wurden im Nikolaisaal „Love Storys“ serviert. Mit einem „Y“ wohlgemerkt. Angeblich hat der Duden diese sprachliche Verballhornung sogar erlaubt. Ein kleines Detail nur, aber es zeigt die Tendenz des Abends. Volksnah wollte man sein, für alle etwas bieten, jeden Anschein von Elite-Dünkel vermeiden. Das ist überzeugend gelungen.

Eine bunte Rosengirlande schmückt den Rand der Bühne am Freitagabend, auf der dicht an dicht die Musiker des Deutschen Filmorchesters Babelsberg sitzen. Ein herziges Biedermeiersofa dient Mirja und Sky du Mont als Sitzplatz für die Lesung aus ihrem Ehe-Buch „Unsere tägliche Krise gib uns heute“. Zwei fransengeschmückte Stehlampen tauchen das alles andere als spießig wirkende Paar in heimeliges Licht. Kühlen Glamour strahlen Mirja du Mont, superblond, superschlank und auf superhohen High Heels und ihr 29 Jahre älterer Gatte Sky du Mont, ganz weißhaariger Gentleman mit Anzug und Krawatte, aus. Zuerst und dazwischen hat das Filmorchester Babelsberg die Stimme mit einem Potpourri der schönsten Melodien aus bekannten Liebesfilmen. Der sichtlich begeisterte Dirigent Scott Lawton tänzelt und strahlt wie ein Honigkuchenpferd und lockt ein großes Quantum an zuckersüßen, butterweichen, träumerisch sanften und feurigglühenden Klängen aus dem Orchester. Was bei solchen Ohrwürmern wie den Melodien aus „Vom Winde verweht“, „Casablanca“ oder „Der Pate“ (kein Liebesfilm) nicht gerade überraschend ist. Auch der Verführungs-Walzer „Moon River“ und das schmachtende Thema aus „Love Story“ kommen an diesem harmonieseligen Abend zu ihrem Recht. Einzig die schrägen Klänge von Dmitri Schostakowitschs zu Beginn der Ballettmusik zu „Romeo und Julia“ setzen einen harschen Kontrapunkt. Als musikalische Entdeckung erweist sich der Walzer von Shigeru Umebayashi aus Wong Kar-Wais Film „In the Mood for Love“. Eine äußerst einfallsreiche Komposition, voller Delikatesse und Anmut, die tänzerisch, zart und abgründig klingt, überglänzt von einem hinreißenden Violinsolo von Torsten Scholz.

Was die Musik veredelt, erhöht und, nun ja, gelegentlich auch verkitscht, wird in der Lesung salopp auf den Erdboden gebracht. Von den Niederungen des Ehealltags handeln die Geschichten von Sky und Mirja du Mont. Es geht um so triviale aber auch verbreitete Themen wie Schnarchen, Schlafraub, Quengeln, Vorwürfe, denen die beiden, die Vater und Tochter sein könnten, ihre Stimmen geben. Der erfahrene Schauspieler Sky du Mont, immerhin zum vierten Mal verheiratet, pariert die weiblichen Wünsche meistens nachgiebig und leicht ironisch. Gelegentlich blitzt altmodischer Chauvinismus auf, etwa bei der Rede von der mangelnden weiblichen Logik. Es müsste nicht „der Vorwurf“ sondern „die Vorwurf“ heißen, meint du Mont mit sonorer Stimme. Ein Schalk, wer Schlimmes dabei denkt. Mirja du Mont gibt die naive Unschuld, listenreich und faustdick hinter den Ohren, die weiß, dass sie letztlich sowieso jeden Wünsch erfüllt bekommt. Diese häuslichen Scharmützel habe Charme und Komik, verflachen aber auf Dauer doch etwas. Szenen einer Ehe, nicht als dramatisches Kammerspiel wie im gleichnamigen Film von Ingmar Bergman, sondern im heiteren Boulevardstil – das kommt gut an, wie der Erfolg des Ehebuchs von Sky und Mirja du Mont zeigt. Das letzte Wort hat die Musik. Sie zeigt in Max Steiners Komposition zu „Casablanca“, wie zwei gegensätzliche, beinahe feindliche Prinzipien auf einmal miteinander verschmelzen können, nicht einfach so, sondern mit hymnischem Jubel. Ein passenderes Happy End zum zehnjährigen Geburtstag des Nikolaisaals lässt sich schwer finden. Babette Kaiserkern

Mit seiner göttlichen Oboe würde er bezaubern, so gibt ein Bericht über den Mozart-Zeitgenossen Ludwig August Lebrun, der am Mannheimer Hof ein gefeierte Oboist und auch Komponist war, Kunde. Wir müssen es glauben, denn es ist ja nicht mehr nachzuprüfen. Aber wenn wir die Oboenkonzerte heute hören, dann kann man nur feststellen, dass hier wohl ein Meister seines Instruments am Werke war. Dies machte im Kammerakademie-Konzert zum Jubiläumswochenende des Nikolaisaals Albrecht Mayer sehr deutlich. Der Solooboist der Berliner Philharmoniker, der längst zu den hervorragendsten Musikern unserer Republik gehört.

Vier Tage vor dem Konzert erkrankte die mexikanische Dirigentin Alondra de la Parra in New York, so dass sie nicht nach Deutschland reisen konnte. Für den Veranstalter ein Alptraum. Man fragte den Solisten Albrecht Mayer, ob er nicht auch das Konzert dirigieren könnte. Er sagte zu. Aber ohne das musikalische Feuerwerk latein- und südamerikanischer Werke.

Neben den geplanten Oboenkonzerten von Lebrun und Jean Francaix, einem Mozart-Andante, das ursprünglich für Flöte komponiert wurde, kamen nun Felix Mendelssohn-Bartholdys Streichersinfonie Nr. 10 und Edward Elgars Serenade für Streichorchester e-Moll zu Gehör. Musikalische Schönheit pur. Die Kammerakademie – sie hat es immer wieder bewiesen – kann auch ohne Dirigenten arbeiten. Vielleicht wäre es an diesem Abend günstiger gewesen, denn sie musste sich wohl nach der Programmauswahl Albrecht Mayers richten. Und die war selten auf ein Wechselbad von Gefühlen aus. Mayers Dirigat ist solide, jedoch ohne Höhepunkte. Die Kammerakademie musizierte in ihrem Saison-Eröffnungskonzert tonschön und aufmerksam, war aber zu selten musikalisch und gestalterisch gefordert.

Mayers Musizierkunst auf der Oboe dagegen kann wohl kaum noch übertroffen werden. Ein wahrhaft göttliches Spiel. Neben der technischen Perfektion besticht die Tongebung. Seine Oboe kann samtweich klingen, dann wieder silbrig schimmern. Ihm steht ein auf diesem Instrument fast sensationelles Pianissimo zur Verfügung. Vor allem aber setzt er diese Mittel nie zur Selbstdarstellung seiner Virtuosität ein, sondern ordnet sie mit außerordentlicher musikalischer Empfindsamkeit der Komposition unter. So bei dem von ungetrübter Rokokoseligkeit atmenden 1. Oboenkonzert von Lebrun, auch beim Andante von Mozart. Alles war auf makellose Schönheit bedacht.

Glücklicherweise gab es jedoch zur Abwechslung Jean Francaix‘ „Die Blumenuhr“. Der französische Komponist vermag mit Grazie und Witz bei sparsamer Anwendung der kompositorischen Mittel, humorvolle Unterhaltung mit ausgeprägter Charakteristik zu bieten. „L‘horloge de Flor“ (Die Blumenuhr) für Oboe und Orchester ist eine siebensätzige Suite voll Poesie und anrührender Klangvielfalt, den Blumen im Stundenablauf des Tages und der Nacht gewidmet. Mayer und die Kammerakademie wussten auch hierbei viel musikalische Freude zu verbreiten. Das Publikum jubelte und die Künstler hatten noch zwei Zugaben in Petto, die sie gern zu Gehör brachten, Musik von Gabriel Fauré und Reynaldo Hahn. Auch hierbei Melodienseligkeit auf Melodienseligkeit. Ein seliger Abend eben. Klaus Büstrin

Wenn der Tag lang war und die Beine müde sind, der Himmel wolkenverhangen bleibt und das Bett eine magnetische Anziehungskraft entwickelt, fällt es schwer, noch einmal vor die Tür zu gehen, um den Freitagabend nicht gänzlich ungenutzt verstreichen zu lassen. Um so unverhoffter die Freude, als man mit müden Füßen in die schmale Wilhelm-Staab-Straße einbiegt und plötzlich alles voller Rosenblätter und sommerlichem Ambiente ist, wo sich einige hundert Gäste tummeln, um die Saisoneröffnung des Nikolaisaal zu feiern.

Viel ist schon zu sehen und zu hören gewesen an diesem Abend. Fehlt nur noch der krönende Abschluss – ein 17 Hippies-Konzert, umsonst und draußen und hoffentlich laut und sehr fröhlich! Schon ruft Bandleader Christopher enthusiastisch, was bei diesem Wetter schon als Ironie gelten kann, ins Mikrofon „Es ist Sommer“ und 13 angereiste Hippies legen los.

Alles strömt zur Bühne und jeder scheint sofort gefangen von der Berliner Band, deren Musik vor allem von Einflüssen aus dem Balkan, Frankreich oder den britischen Inseln lebt. Der Hippiesound ist mal ausgesprochen heiter und lebensfroh, mal herrlich melancholisch und fast immer tanzbar. Und so geht von Beginn an Bewegung durch die Fans, die es trotz Regen und kühlen Temperaturen hierher gezogen hat und die sich pfeifend und klatschend über jeden Lieblingssong freuen.

Viel Instrumentales hat die Band an diesem Abend im Gepäck und auf der Bühne herrscht stetige Bewegung. Immer wieder neu arrangiert, erzeugen die Musiker ihren ganz speziellen Sound und jeder steht mal vorn am Bühnenrand.

Christopher Blenkinsop, der seit Entstehung der Gruppe ein wenig für deren Struktur sorgt, ist auf der Bühne ein Dirigent, der sein Orchester aus Geigen, Akkordeon, Klarinette, Gitarre und Kontrabass fest im Griff hat. Er erschafft diese Wellenbewegung der Musik, die plötzlich von links nach rechts strebt, sich wieder aufschwingt und laut wird, dann plötzlich beinahe verschwindet. Dabei ist das Konzert ein einziges Spielen miteinander, auch mit dem Publikum.

Blenkinsop, ein fröhlicher Entertainer, der sich noch an die Eröffnung des Nikolaisaal vor zehn Jahren erinnert, zu der die 17 Hippies ebenfalls spielten, und, wie sollte es anders sein, gleichfalls bei Regen.

Aber was solls, auf jeder Tour gäbe es ein Konzert unter ungünstigsten Umständen. Dafür sind die Potsdamer ein dankbares Publikum, das unerschütterlich immer neue Songs fordert und auch eine kurze Pause kategorisch ablehnt. Sie wollen noch ein wenig „Uz“, „Six green bottles“ oder „Wann war das?“ und vor allem Kiki Sauer hören, die in ihrem leuchtend roten Kleid herrlich melancholische französische Chansons singt, die wie kleine Perlen an diesem Abend leuchten.

Als beinahe zwei Stunden vergangen sind, in denen es Rosenblätter regnete, in denen getanzt wurde, geklatscht und mitgesungen, in denen das Publikum zum talentierten Chor wurde, der nie den Einsatz verpasste, spazieren die Hippies schließlich mit Schirmen bewaffnet von der Bühne und bahnen sich einen Weg durch die Menge. Andrea Schneider

Babette Kaiserkern

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