Kultur: Und immer das alte Lied
Regy Clasen und Band auf dem Pfingstberg
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Regy Clasen ist ehrlich. Sie singt, dass sie die Liebe nicht kapiert. Nicht unbedingt eine bahnbrechende Erkenntnis, die sie wohl mit fast jedem Menschen ab einem gewissen Alter teilt. Aber weil es so einfach und gleichzeitig kompliziert ist, lassen sich immer wieder Geschichten aus diesem Dilemma stricken. Und jede dieser Geschichten, obwohl zum Scheitern verurteilt, ist immer wieder der Versuch, dieses Seltsam-Faszinierende zu verstehen. Wir können nicht anders.
Am Samstag steht Regy Clasen auf der Wasserbühne des Belvederes auf dem Pfingstberg und singt Lied um Lied von der Liebe. Momentaufnahmen des Alltags, in die besagte Gefühlsverwirrungen ein ganz besonderes Licht bringen. Zwei Alben hat sie bisher veröffentlicht. „So nah“ ihr Debüt, „Wie tief ist das Wasser“ ihre aktuelle Produktion. Ihre Stimme, leichtester Soul, mal klagend, mal trotzig und oft schwärmerisch und glückssatt, liefert Erklärungsversuch um Erklärungsversuch. Da sind ihre Gedanken nur bei dem einen, der als Liebesbeweis ein Lied von ihr verlangt, das sie nicht schreiben kann. Sie gibt sich trotzig, weil sie die Niederlage einer Beziehung nicht akzeptieren will. Dann fährt sie nachts nach Hamburg, ihrer Heimatstadt, und fragt sich, „wie viel Glück steht mir zu“, wenn zu Hause einer wartet, der sie liebt und sie gerade den will, der neben ihr im Auto sitzt.
Regy Clasen beschönigt nichts. Sie singt, wie es ist. Mal himmelhochjauchzend, dann wieder kläglichst betrübt. Begleitet wird sie von Emre Akca am Schlagzeug, Ralli D. am Bass und Martin Meyer an den Rohdes und Keyboard. Ein zurückhaltendes Trio, dass Clasens Liedern den Raum lässt, die sie brauchen. Nur manchmal lassen sie sich gehen und dann überrascht einen immer wieder Meyer an den Rohdes. Könnte man mit diesen leicht orgelnden Tönen Gedichte schreiben, Meyer wäre die erste Adresse. Er macht nicht viel. Aber das was er spielt, hat Poesie. So folgt Lied auf Lied vom immer selben Thema, während die Nacht sich auf dem Pfingstberg breit macht. Und wir hören, genießen, lassen uns erklären, was nicht zu erklären ist. Wer die Liebe verstehen will, der muss zwangsläufig scheitern. Doch so überzeugend und mit solcher Hingabe wie Regy Clasen hat das schon lange niemand mehr geschafft.
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