Kultur: Und Tschüss
Das letzte Konzert im alten Waschhaus
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Was wird bleiben vom alten Waschhaus ? Der kleine Apfelbaum im Hof und das Efeu an der Wand? Wird man etwas vermissen, wenn in neuem Gewand im September nächsten Jahres wieder geöffnet wird? Am Mittwoch, beim letzten Konzert, war es Zeit, Abschied zu nehmen. An der Seite der Sportfreunde Stiller wuchs das Waschhaus. Zehn Jahre ist das her. Damals spielte die Band vor zwanzig Zuhörern und schlief im Auto auf dem Parkplatz. Heute kamen Florian, Peter und Rüde mit ihrem Stadion-Pop zurück, um Adieu zu sagen.
Good bye, zerborstener Betonboden vor dem Eingang. Adieu, du trauriger Mann am heißen Grill neben den Mülltonnen. Tschüss orange gestrichener Barraum. Und Adios, Toilettencontainer, dir ein herzliches Bye, Bye. Heute habt ihr noch einmal alles geben müssen. So wird es nie wieder sein.
So heiß. Ein halbes Tausend junge Körper in T-Shirts. Wer keinen Fußballspruch drauf hat, ist mega-out. Das Lied der Sportis „54, 74, 90, 2010“ brachte Patriotismus in den Pop. Es ist die größte Hymne des Trios. Eigentlich spielen sie fast nur Hymnen, der Refrain lässt sich immer gut mitsingen. Mit „Willkommen in einer neuen Zeit“, dem ersten Stück, geht das schon los. Das klang im Waschhaus fast wie eine Drohung. Der Saal jedenfalls teilte nicht die Befürchtungen von Waschhaus-Chef Michael Wegener, der angesichts der Endgültigkeit der Ereignisse „allmählig Gemurmel im Bauch“ empfand.
Früher, als Musik noch Independant hieß, stand man grüblerisch mit gebeugtem Kopf vor der Bühne. Man durfte sich einsam und traurig fühlen. Hier dagegen wird gefeiert wie im Fußballstadion. Werden die Jugendlichen das Waschhaus vergessen? Sie wirken nicht, als ob sie sich an Legendenbildung beteiligen wollten.
Ist diese Musik nicht wie geschaffen, um eine Sehnsucht nach dem Alten zu entfachen? „Fast wie von selbst“ ist so ein Lied. Man will zum Hammer greifen, noch einmal Mauerspecht spielen. Doch das ist so nicht vorgesehen. Das Waschhaus erdachte lieber eine Kampagne. Es gibt bedruckte Plastebecher mit dem Aufdruck: „Nicht ohne mein WH!“ Die soll man mitnehmen, nur keine Steinchen als Andenken aus der Wand schlagen.
Im Saal herrscht Waschküche, mindestens 50 Grad. Die T-Shirts drängen sich so dicht, dass auf ihren gereckten Händen die Stage-Diver, die sich sofort von der Bühne zu stürzen beginnen, leicht wie Federn bis nach hinter getragen werden können.
Kinder erreichen hustend die Türöffnung und hecheln Frischluft ein. Hinter ihnen eine Dampfwolke aus Schweiß und Kondenswasser. „Mann, ist det geil!“ heißt es kurz und schon ist man wieder drinnen. Ciao, fehlende Abluftanlage. „Das ist eben das Waschhaus“, erinnert sich Musikchef Ingo Bröcker-Wätzel mit nostalgischem Blick zurück an die ersten Techno-Konzerte, bei denen der Sauerstoffgehalt ähnlich gering war.
Seitdem klatschten hunderte Liter Jugendschweiß auf den Boden und verdunsteten wieder, eingeatmet von Hunderttausend Potsdamern. Die sind damit auf ewig geimpft. Sie werden auch ins Neue Waschhaus kommen. Kopf hoch, altes Haus. Der Wandel hat dich nun gepackt. Es gibt kein Zurück. Mach das beste draus. Denk mal ein bisschen nach. Und: in alter Frische, hoffentlich. Matthias Hassenpflug
Matthias Hassenpflug
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