Kultur: Unermüdlich
Miss Platnum im Lindenpark
Stand:
Der Boden vibrierte unter den Füßen, als Miss Platnum das Lindenparkpublikum aufforderte, mit ihr zu springen. Längst war die Stimmung so gut, dass sich keiner mehr lange bitten lassen musste und so dirigierte die kraftvolle, unbeschreiblich weibliche Sängerin ein Meer aus Händen und feierte sich selbst, ihre Band und alle, die am Samstagabend dafür gesorgt haben, dass Miss Platnum vor beinahe ausverkauftem Haus ihre Show performen konnte. Und wie sie das konnte!
Ihre Vorbands hatten das Publikum bereits in Partylaune versetzt. North, das Soloprojekt von Astrid North, ehemalige Sängerin der Cultured Pearls, beeindruckte durch erwachsenen, energetischen Soul, der beinahe rockig unterlegt war. Frogg, ein R’n’B/HipHop-Projekt der Berliner Seeed-Musiker Mo Delgado und DJ Luke sowie der Londoner Sängerin Mills wirkte dagegen wesentlich jünger und frecher. Die quirlige Frontfrau, gekleidet in Schutzanzug und mit Schutzbrille bewaffnet, sprang über die Bühne und brachte das Publikum zum Jubeln und Pfeifen. Die als Gangsterrapper maskierten Jungs gaben im Hintergrund an den Turntables den passenden Beat vor.
Beste Ausgangslage also für den Hauptakt des Abends, die Balkan-R’n’B Formation um Miss Platnum, deren bürgerlicher Name Ruth-Maria Renner ist und die mit acht Jahren zusammen mit ihren Eltern aus der Heimat Rumänien flieht und nach Westdeutschland kommt. Hier hat es das Mädchen nicht leicht und erst, als sie während eines Chorprojektes die Soulgröße Jocelyn B. Smith kennenlernt und aufgrund ihres Gesangstalents deren Schülerin wird, scheint sich das Blatt zu wenden. So wird die junge Frau zu der selbstbewussten Person, die im Lindenpark ihre aktuelle Scheibe „The Sweetest Hangover“ vorstellte, die eine unglaublich sportliche Bühnenshow ablieferte und von ihren ausdrucksstarken Backgroundsängerinnen Solange und Grace unterstützt, blinkte und blitzte, tanzte, hüpfte und ihre Band ebenso im Griff zu haben schien wie ihr Publikum.
Das bestand neben der vollständigen Familie mit Eltern und Kindern vorwiegend aus Fans ab Mitte Zwanzig und älter. Die Band um die Powerfrau scheint, trotz der engen Verbindung zu Peter Fox, dessen Backgroundsängerin sie einst war, ein Geheimtipp unter Erwachsenen zu sein. Und die lieben besonders ihre Hymne „Give me the food“, in der Miss Platnum gegen den Diätenwahn ansingt.
Ihre Texte handeln von starken Frauen, heuchelnden Männer, der Liebe; und dem Leben. Sie zelebriert dessen Kraft, indem sie nicht nur ihr Publikum auffordert, die Feste zu feiern, wie sie fallen, sondern auch, indem sie sich auf ihre Wurzeln besinnt und R’n’B mit den momentan so beliebten Balkanbeats mischt, die, vorwiegend von Blechbläsern inszeniert, das Leben in seiner ganzen Vielfalt erstehen lassen und ebenso traurig wie heiter klingen können. Andrea Schneider
Andrea Schneider
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: