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Kultur: Ungestüm

Das Dahlkvist Quartett im Palmensaal

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Am sonnenwarmen Dienstagabend kommt sie noch einmal so richtig in Fahrt, die Vogelschar rund um die Orangerie im Neuen Garten. Vielstimmig flöten die Amseln, unterbrochen von einer schimpfenden Elster, was wiederum Rotkehlchen, Singdrossel, Mönchsgrasmücke und ein markant rufender Zilpzalp zu Gegenreaktionen ermuntert. Sie alle liefern die rechte Einstimmung für das 2. Streichquartett „Madárdal“ (Vogelsang) der Schwedin Andrea Torrodi. Gleichsam ein taufrisches Werk, erst vor wenigen Tagen beim Mellby Atelier in Österlen vom Dahlkvist Quartett uraufgeführt. Nun ist die schwedische Truppe damit bei den Musikfestspielen Sanssouci zu Gast.

Was die Zuhörer im Palmensaal zu hören bekommen, sind kurzweilige, ungestüme Klänge, die sich in einem betont rhythmischen, harmonischen und melodischem Spiel auf anhörenswerte Weise zusammenfügen. Inspiriert sind die drei Sätze von ungarischen und schwedischen Volksweisen, und auch Bartok und Messiaen lassen von ferne grüßen. Was durch die geschlossenen Fenster ins Freie dringt, wird von den gefiederten Musikkennern mit fröhlich zwitschernden Kommentaren versehen! Hellklingend, mit jugendfrischem Elan sind die vier Musiker bei der Sache, die fern jeglicher Schrecknisse zeitgenössischer Klangerfindungen und -produktionen die Sinne zu beeindrucken versteht. Rasante Läufe in den schnellen Ecksätzen, ein langsam fließender Adagiosatz sind die Folie für eine originelle Begegnung von Vogelsang und Notenklang.

Doch der Schwerpunkt des Abends besteht in der programmideelichen „Begegnung in Leipzig“, wobei der Däne Niels W. Gade auf seinen deutschen Lehrer Felix Mendelssohn Bartholdy trifft. Und so erklingt eingangs Gades D-Dur-Streichquartett op. 63, in dem alle vier Stimmen durchweg zur gleichen Zeit reden. Das allerdings ermüdet auf Dauer. Diesem Eindruck wollen die Dahlkvists – bestehend aus den Geschwistern Kersti (2. Violine), Jon (Bratsche) und Hanna (Violoncello) sowie dem polnischen Primarius Bartosz Cajler – mit fortenahem und forciertem Spiel begegnen. Das Spiel leidenschaftlicher Erregung mit breitem, straff geführtem Bogenstrich scheint ihr Markenzeichen zu sein. Energischem Aufbegehren folgt die entspannende Ermattung. So geht es unter dem dominierenden Primarius ständig hin und her. Dynamische Differenzierungen mögen sie nicht sonderlich, dafür einen minimalen Gebrauch des Vibrato. Das schafft eine gewisse nordische Kühle und Herbheit.

Hochdruck ist ihre Devise. Auch ihre Stärke? Im Falle von Mendelssohns autobiographisch geprägtem f-Moll-Quartett op. 80 auf jeden Fall. Herbe, düstere Direktheit durchziehen die vier Sätze, die dem Tod seiner heißgeliebten Schwester Fanny ein beeindruckendes Klangdenkmal setzen. Hier spiegelt sich unverstellt Felixens Seelenlage wider: höchste Erregung und sogleich tiefste Trauer, tränenüberströmte Erinnerungen, Verzweiflung, schroffe Unerbittlichkeit und immer wieder die in Töne gefasste Frage: Warum gerade sie? Und da sind die schwedischen Ausdrucksmusiker ganz in ihrem Element, wenngleich mitunter zu wenig flexibel. Mit einer versöhnlichen Zugabe von Hugo Alfvén danken sie dem Bravojubel. Peter Buske

Peter Buske

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