Kultur: Uninspiriertes Spiel
Internationaler Orgelsommer mit Ksenia Pogorelaja in der Friedenskirche
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Internationaler Orgelsommer mit Ksenia Pogorelaja in der Friedenskirche Die Begegnung mit der Königin steht wahrlich unter keinem guten Stern. Bei aller Liebe fürs sich leider erst allmählich vollendende Instrument - aber die Intonationsübungen (nach des Orgelbaumeisters Gerald Woehl Tagwerk) sollten eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn schon abgeschlossen sein. Stattdessen dauerten sie bis drei Minuten nach halb Acht, dem angesagten Konzertbeginn, an. Eine mehr als merkwürdige „Einstimmung“ auf das jüngste Orgelsommer-Konzert in der Friedenskirche. Weder die aus dem weißrussischen Polozk angereiste Organistin Ksenia Pogorelaja noch das Publikum dürften solcherart die nötige Muße für die erwarteten himmlischen Klänge gefunden haben. Da die zahlreich erschienene Hörgemeinde, wie nicht anders erwartet, die Klänge sehend genießen will, dreht es die Stühle kurzerhand um. Was wiederum den Begrüßer des Abends, Andreas Kitschke, zu der Bemerkung veranlasst, man möge doch abschließend das Gestühl wieder in Blickrichtung zum Altar drehen. Mit diesem Hin und Her wird man sich auch künftig abfinden müssen, schließlich will das prächtige Orgelantlitz mit der leuchtenden Fensterrosette sichtlich genossen sein. Genug der präludierenden Worte. Bis auf Georg Philipp Telemann enthält das Programm weitgehend unbekannte Komponistennamen aus slawischen Gefilden. Solche Bekanntschaften mit bislang Unvertrautem sind es, die den Reiz des Orgelsommers seit seinem Bestehen ausmachen. Nur sollten die Werke auch substanzreich genug sein und nicht nur in die Kategorie „kompositorische Fingerübungen“ gehören. Auch hätte jeder ernstzunehmende Organist es sich nicht nehmen lassen, bei einem Konzert an Bachs Todestag (28. Juli) unbedingt ein Werk des Meisters zu spielen. Nicht so Ksenia Pogorelaja, die ihr uninspiriertes Spiel und wenig fantasievollen Registrierungen hauptsächlich an tonsetzerischen Bagatellen ver(sch)wendete. Sehr gradlinig und direkt, mit starkem Gebrauch des Tremulanten, spielt sie Telemanns c-Moll-Concerto (nach Johann Walther), zwingt ihm eine seltsam anmutende Monumentalität auf. Diesem Telemann der merkwürdig gehemmten und verklemmten Art folgen alte belorussische Tanzweisen aus dem 16. und 17. Jahrhundert, wie sie einst auf dem Dorfanger, nicht in Kirchen, erklungen sein mögen. Dazu begleiten der Organistin herzige Kinderlein: Julia schlägt das Tambourin, Arseni bläst artig die Blockflöte. Sind wir hier zur Kirmes geladen? Nicht sonderlich originell hören sich die Fantasie d-Moll von Peter Schelahovsky (18. Jh.) und Vier Choräle von Stanislav Moniuszko (1819-1872) an. Das slawisches Idiom hört man durchaus heraus. Trotz zart klingender Register breitet sich pastos wabernde Gefühligkeit aus. Wenig einfallsreich hören sich Stücke der 19-jährigen Tonsetzerin Julia Sadikowa an. Einem motorischen Präludium folgt eine epigonale Toccata à la Widor: kompakt, mit Trompette-harmonique-Register und Schwellwerk. Entsprechend des „Hosanna“-Titels ist die reizvolle Piece von Nadeshda Dawidowskaja größtenteils in Diskantlagen angesiedelt. Ständig hinzutretende Stimmen erinnern gleichsam an den Aufmarsch einer Engelskapelle. Liedhaft und zungenstimmenreich hört sich die „Aria“ von Georgi Alexandrowitsch Muschel (geb. 1909) an; hell, verspielt und glöckchenklingelheiter wie ein Perpetuum mobile die „Toccata“. Bereitwillig gewährt die Organistin eine Zugabe. Peter Buske
Peter Buske
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