Kultur: Unter der Oberfläche
Premiere von „Der Hässliche“ am Samstag
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Es sind Sätze wie Peitschenhiebe. Ob sie ihn denn noch erkennen würde, wenn er sich vom Schönheitschirurgen das Gesicht hat operieren lassen, fragt Lette seine Frau Fanny. Das mache überhaupt nichts, antwortet sie. Schließlich habe sie sein altes Gesicht nie angeschaut.
Das Stück „Der Hässliche“, das am morgigen Samstag in der Reithalle A Premiere feiert, hat der Theaterautor Marius von Meyenburg als Komödie geschrieben. Eine tiefschwarze Burleske über das Thema Schönheit, ein Kammerstück über die Illusionen von Perfektion und die Verlogenheit im Zwischenmenschlichen. Lette ist Ingenieur und derart hässlich, dass ihn niemand auch nur anschauen möchte. Selbst weiß Lette von seiner Hässlichkeit nicht, auch sonst spricht ihn niemand auf diesen Makel an, nicht einmal seine Frau Fanny. Bis zu dem Tag, an dem er die Präsentation einer Erfindung plant und ihm zwangsläufig offenbart wird, dass er in keinem Fall repräsentabel sei. Nun soll die Schönheitschirurgie richten, was die Natur vernachlässigt hat.
Die 22-jährige Jana Herrmann und der 20-jährige Maximilian Ulrich gehören zum vierköpfigen Darstellerteam des Hans-Otto-Theaterjugendclubs, das im März mit den Proben für „Der Hässliche“ begonnen hat. Eine besondere Herausforderung für die jungen Laienschauspieler, weil sie bei dem 60-minütigen Stück immer im Blick der Zuschauer stehen und nicht in einem großen Ensemble wenigstens für ein paar Momente untertauchen können. „Wir müssen die ganze Stunde auf der Bühne präsent sein“, sagt Jana Herrmann bei einem kurzen Gespräch am Donnerstag, kurz bevor die vorletzte Probe beginnt. Erschwerend kommt für Jana Herrmann hinzu, dass sie in „Der Hässliche“ drei Rollen besetzt. Einmal Lettes Frau Fanny, dann eine Krankenschwester, dann eine alte und reiche Dame, die sich den schönheitsoperierten Lette als eine Art Lustknaben hält. Doch erfolgt der Rollentausch nicht durch Kostümwechsel, sondern während des Spiels, von einem Satz auf den anderen.
Die Regisseurin Manuela Gerlach sagt, dass „Der Hässliche“ ein Stück sei, dass sie wegen des Anspruches an die Darsteller nur mit schon älteren Jugendlichen des Theaterjugendclubs auf die Bühne bringen konnte. Eine Herausforderung, auf die sich neben Jana Herrmann und Maximilian Ulrich auch Daniel Kilzer und Peter Retzlaff gern eingelassen haben. „Wir haben intensiv geprobt, zwei Wochen lang sogar täglich“, sagt Jana Herrmann. Das habe aus den vier Darstellern ein starkes Team gemacht.
Maximilian Ulrich, in der Rolle des hässlichen Lette, hat sich vor den Proben nie groß mit dem Schönheitswahn unserer Zeit auseinandergesetzt. Doch die Arbeit an dem Stück hat seine Einstellung verändert. Er schaut jetzt genauer hin, hinterfragt und wirkt ein wenig fassungslos, wenn er von Fernsehsendungen erzählt, in denen Menschen durch mehrere Schönheitsoperationen angeblich perfekter werden. „Ich kann nur staunen, wie stark der Zwang zu dieser angeblichen Verschönerung mittlerweile ist. Wie sehr Identität mit Äußerlichkeiten verbunden wird“, sagt Ulrich. Das Stück „Der Hässliche“ zeige durch seine komödiantischen Überspitzungen überdeutlich, wie banal und konturlos dieser Hang zur schönen und glatt polierten Oberfläche ist. Die Sätze, die Autor Marius von Meyenburg seine Figuren in diesem Stück sagen lässt, sind oft wie explodierende Granaten, die für Momente dieses Trugbild in Stück reißen.
„Es ist nur eine Komödie“, sagt Jana Herrmann. Aber eine mit erschütterndem Tiefgang. Wer sich mit „Der Hässliche“ beschäftigt, wacht auf, fügt sie nach kurzem Überlegen an. Das mit dem eigenen Spiel beim Publikum zu erreichen, mehr aber auch nicht weniger wollen sie erreichen. Dirk Becker
Die Premiere findet am morgigen Samstag, um 19.30 Uhr, Reithalle A in der Schiffbauergasse statt. Heute, 21 Uhr, ist die öffentliche und kostenlose Generalprobe
Dirk Becker
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