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Kultur: Unter sicherem Verschluss

Anja Schindler bringt ein Stück Italien nach Potsdam: „La luce dell“ Umbria“ in der Galerie Bauscher

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Die diesjährige Sommerausstellung der Galerie Bauscher setzt mit allen Registern auf zitronig-fruchtige Frische und ein mintiges Türkis-Blau. Limonen-Miniaturen und großformatige Limonen-Porträts lassen keinen Zweifel daran: Die südlich-sinnliche Zitrusfrucht hat es nicht nur der Künstlerin sondern auch der Galeristin ganz besonders angetan. Vielleicht ist es genau dieses Zitrusgelb (in den Arbeiten auf schwarzem Grund), in dem sich all unsere Sehnsucht nach dem sonnigen Süden verdichten soll. Immerhin weckt der wohlklingende Titel der Ausstellung „La luce dell“ Umbria“ gewisse Erwartungen und Bilder, entlässt man seine Gedanken in Richtung Umbrien mitsamt Italiensehnsucht, Sonne und Licht.

Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus: in der Präsentation mit Bildern, Zeichnungen und Objekten von Anja Schindler geht es nicht um eine Beschwörung italienischer Verhältnisse, sondern ganz offenkundig um die Verbreitung eines besonderen Lebensgefühls. Etwas Unbeschwertes, Heiteres verströmt die Ausstellung, etwas, von dem man sich durchaus gerne anstecken lassen kann.

Ein besonderer Hingucker ist der Wintergarten der Galerie. Für die Ausstellung hat er sich in eine blaues Laboratorium verwandelt, man könnte auch sagen: in ein unisono himmelblaues Kuriositätenkabinett. Auf blaugestrichenen Gestellen und auf den Fenstersimsen breitet sich ein türkisblaues Konglomerat an Gläsern, Flaschen, großen und kleinen Behältern aus. Allesamt sind sie sorgfältig verschlossen, ja sogar versiegelt, gerade so, als sei ihr kostbarer Inhalt um jeden Preis vor unbefugtem Zugriff zu bewahren. Mohnkapseln, Disteln, in jedem Falle jede Menge südlicher Vegetation, werden auf diese Weise, mal trocken, mal eingelegt in Öl oder Alkohol, konserviert. Durch das intensive Himmelsblau, in das Anja Schindler all diese Fundobjekte vor der Konservierung getaucht hat, erhält das Ensemble eine irgendwie unwirkliche Dimension.

Auch Briefmarken und zusammengerollte Schriftrollen aus längst vergangenen Tagen bewahrt die Künstlerin auf diese Weise unter sicherem Verschluss. Gleichzeitig kokettiert sie, durch die akribische Etikettierung der Gefäße, ein bisschen mit der Systematik einer musealen Präsentation.

Das Sammeln, Bewahren und Konservieren von Dingen bildet ein großes, vielleicht sogar das zentrale Thema für Anja Schindler. Zu verstehen wohl weniger als Selbstzweck, denn als Bestreben der Künstlerin, Vergängliches, zuweilen aber auch konkrete Relikte aus der Vergangenheit ins Bewusstsein zu heben und damit dem Vergessen zu entziehen.

Vor diesem Hintergrund erschließt sich auch die intensive Beschäftigung der Künstlerin mit Schrift und Sprache. Dabei geht es weniger um die Lesbarkeit oder Verständlichkeit der sprachlichen Mitteilung, sondern eher um die Rolle der Schrift „als Träger kultureller oder geistiger Information“, wie es Bettina Held in ihrer Einführungsrede in die Ausstellung formulierte. Anja Schindler greift bevorzugt auf alte Bücher und Zeitungen zurück. Es gibt kaum ein Bild, vielleicht gar keine Zeichnung, denen als Hintergrund nicht mindestens ein Schriftauszug oder ein Zeitungsblatt zugrunde liegt. Immer aufs Neue werden Malerei und Schrift miteinander vermählt. Die eigenwillige Kreuzung aus Farbe und Textur, die sich wie ein roter Faden durch alle Bilder hindurchzieht, wird in dieser ersten Ausstellung der gebürtigen Bremerin bei Traudl Bauscher wahrnehmbar wie Schindlers individueller Fingerabdruck.

Zu sehen sind überwiegend Mischtechniken auf Papier, Holz oder Leinwand. Originell sind die in Wachs getauchten und schlicht an einem Faden aufgehängten Buchseiten (Libri I). Daneben gibt es die Werkgruppe der zu Materialcollagen und figürlichen Reliefs verdichteten Papierarbeiten, die Anja Schindler durch das Pressen und Verleimen von vielen Zeitungsschichten entstehen lässt, aus denen sie schließlich einfache Figuren aussägt.

Nach annähernd 15 Jahren Leben und künstlerischer Arbeit in Umbrien hat Anja Schindler im vergangenen Jahr die italienische Idylle gegen ein neues Zuhause für sich und ihre Familie an der Mosel eingetauscht. Von dort hat die Galeristin Schindlers Reminiszenzen an ihre künstlerischen Jahre in Umbrien – wohl konserviert – nach Potsdam gebracht.

Die Ausstellung „La luce dell“Umbria“ in der Galerie Bauscher, Rosa-Luxemburg-Straße 40, endet am 25. August. Geöffnet Mi-Fr 12-18 Uhr, Sa 12-16 Uhr (Galerieferien im Juli).

Almut Andreae

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