Kultur: Unter Steinschlägen
Die drei Dänen von Barra Head kämpften gegen die „fabrik“ an
Stand:
Ein Kompromiss am Abend ist genug. Um knapp zwei Stunden hatte sich der Beginn des Konzerts von Barra Head am Mittwochabend verschoben. Die Veranstalter von der „fabrik“ in der Schiffbauergasse hatten vorausschauend gehandelt. Wem nützt es schon, wenn die Band spielt als ginge es um ihr Leben, doch das Publikum hängt im Nebenraum vor dem Fernseher. Also erst Fußball, dann Musik. Das dann aber richtig.
Ob vielleicht einer der etwa 50 Zuhörer im kleinen Saal für einen Moment das Bedürfnis verspürte, fröhlich „Finale, Finale“ zu grölen, muss Spekulation bleiben. Vielleicht hat es auch jemand getan. Bei der momentanen Euphoriewelle in Sachen Fußball-EM ist auch das möglich Doch gegen Barra Head hatten derartige wohlmeinende Schlachtgesänge keine Chance.
Die drei Dänen hatten von Anfang an auf Lautstärke gestellt, die einen schon an der Tür wie einen Hammer traf. Im Saal tobte der Dezibel dann derart aggressiv und ausgelassen, als gelte es, das Gebäude der „fabrik“ in Schutt und Asche zu legen.
Gitarre, Bass und Schlagzeug sind noch immer die überzeugendsten Mittel wenn es darum geht, den Rock in entsprechender Kürze, Härte, Lautstärke und Durchschlagskraft auf den Punkt zu bringen. Barra Head pflegen diese Dreierkombination seit Anfang der 90er Jahre. Drei Alben haben sie mittlerweile auf den Markt gebracht, mit „Go Get Beat Up“ in diesem Jahr das jüngste. Die zehn Lieder auf diesem Album klingen wie der Tiger im Käfig. Druckvoll und mit Potenzial, aber doch ein wenig gedrosselt. Barra Head sind in erster Linie eine Live-Band. Denn erst wenn sie das Tier auf der Bühne von der Kette lassen, weiß man im Publikum, was die Stunde geschlagen hat.
Da ist zuerst einmal Mikkel Jes Hansens messerscharfer, fast immer verzerrter Telecaster-Sound, mit dem der Gitarrist eine Akkordattacke auf die nächste folgen lässt. Jakob Hvitnov hinterm Schlagzeug, der den Rhythmus derart vorantreibt, als gelte es jedes Lied zu Schanden zu reiten. Dazu Arvid Gregersens knalliges Trommelfeuer auf dem Bass. Über diese Orgie legt sich Hansens klarer Gesang wie ein lyrisches Moment. Melodischer Lichtblick an diesem Klanghang, von dem regelmäßig neue musikalische Steinschläge auf die Zuhörer niedergehen. Die setzen sich mit Begeisterung derartigem Unbill aus. Mikkel Jes Hansen honorierte das nach fast jedem Lied mit einem „Danke schön“.
So ging das Schlag auf Schlag mit den sympathischen Radaubrüdern von Barra Head. Über eine Stunde lang diesem Bollwerk aus Lautstärke ausgesetzt, dass dann doch gelegentlich an die Schmerzgrenze ging. Aber nur einen Kompromiss waren die drei Dänen an diesen Abend eingegangen. Für mehr waren sie nicht bereit. Zwei Stunden über der Zeit, es schien, als hätte das musikalische Tier in Barra Head noch wilder gemacht. Eine Wildheit, die man sehr gut genießen konnte.
Dirk Becker
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