Kultur: Unterirdisch
Eher peinlich als witzig: „Texte im Untergrund“ im Studentischen Kulturzentrum Kuze
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Der geneigte Besucher verschiedenster Lesebühnen und Poetryslam-Veranstaltungen hat tatsächlich schon so einiges gesehen und gehört – von Hochgenüssen der Literatur bis hin zu unkreativem Textgestammel. Doch was dem Zuhörer am vergangenen Freitag bei dem Gastspiel der Lesebühne „Texte im Untergrund“ im studententischen Kulturzentrum (Kuze) um die Ohren gehauen wurde, kam nicht nur aus dem Untergrund, sondern eröffnete gleichsam einen Abgrund sprachlicher Fertigkeiten.
Setzte die knappe Stunde Verspätung, mit der die Veranstaltung begann, der Stimmung des nach literarischen Köstlichkeiten lechzenden Publikums sogleich einen Dämpfer auf, wartete man auch nach dem Beginn vergebens darauf, poetisch verwöhnt zu werden. Obwohl das Programm gar nicht schlecht begann, nachdem Veranstalter Jobst eher peinlich als witzig mit bunt glitzerndem Partyhut und zu kleiner Sonnenbrille auf der Nase – wohlbemerkt zu nächtlicher Stunde – den Abend eröffnet hatte. Mit einer feinen Anekdote zu kandierten Radieschen, die in seiner DDR-Kindheit wohl das Pendant zu modernen Marzipankartoffeln darstellten, hatte Konrad Endler das Publikum schnell auf seiner Seite, das sich auch von der einen oder anderen Obszönität nicht abschrecken ließ.
So einigermaßen unterhaltsam der Abend auch begann, sank mit dem ersten Auftritt von Thilo Bock das Niveau auf seinen ersten Tiefpunkt. Aneinandergereihte Sätze, weder durch literarisches Können ausgezeichnet noch von Wortwitz oder Hintergründigkeit geprägt, ließen die Kinnlade vor Entsetzen mit unglaublicher Geschwindigkeit nach unten schnellen. War der Titel seines neuesten Werkes „Dichter als Goethe“, aus dem Bock seine Texte vorlas, anscheinend auch bei ihm Programm, konnte man sich als Zuhörer, dem jeglicher Humor in dieser Situation willkommen schien, nur noch fragen, wer tatsächlich Platz im heimischen Bücherregal für ein solches Meisterwerk der Niveaulosigkeiten verschwendet.
Nach der Pause entzündete sich doch ein kleines Fünkchen Hoffnung auf eine unterhaltsame Lesung. Mit schönem Rhythmus und Wortwitz an den richtigen Stellen konnte Jobst mit seiner Geschichte zur Studentenzeit in Dresden und Konrad Endler mit seiner etwas anderen Kontaktanzeige der Versuch bescheinigt werden, dem Abend noch das nötige Niveau zu verleihen. Aber während im vorderen Teil der Bühne dem Zuhörer so mancher Text um die Ohren gehauen wurde, ließ die Konzentration der Lesebühnen-Kollegen auf der ledernen Couch, die bei einer solchen Veranstaltung nie fehlen darf, doch zu wünschen übrig. Wenn sie schon fast einschliefen, was erwartete man da vom Publikum?
Und obwohl so manchem Besucher die Vulgarität und Obszönität zu gefallen schien, war für jeden Besucher, der nicht zweimal innerhalb kürzester Zeit über denselben Witz lachen kann, der Humor schnell zu flach. Die halb gesungene und halb gelallte Zugabe von Thilo Bock setzte daher einen bejammernswerten Schlusspunkt unter einen wenig unterhaltsamen Abend. Chantal Willers
Chantal Willers
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