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Von Lore Bardens: Unterwegs im Reich der Kunst

Große Formate bei Sperl: Ende des Jahres verlässt die Galerie ihr Domizil im Holländischen Viertel

Stand:

Als wäre es ein Abgesang auf bessere Zeiten, sitzen die drei Menschen „Am Strand“ auf der oberen Etage der Galerie Sperl, die noch bis Dezember ihr Domizil im Holländischen Viertel hat. Sie schauen auf die im Blau der Wellen untergehende Sonne und träumen – wohl in Erinnerung an bessere Zeiten.

So kann man sich zurzeit auch Uschi und Rainer Sperl vorstellen, denn es ist eine ihrer letzten Ausstellungen in dem seit 18 Jahren von ihnen bespielten Holländerhaus in der Mittelstraße. Mit Wehmut schaut Uschi Sperl in die Vergangenheit und so bekommen alle der gerade ausgestellten „Große-Formate“-Arbeiten diverser Künstler der Galerie einen besonderen Subtext. Wie eben das Email-Gemälde „Am Strand“ von Moritz Götze. Die Personen sind in der vierteiligen Arbeit zwar mit Meer und Strand verbunden, aber dennoch durch feine Trennlinien von ihrer Umgebung abgesetzt. Da sitzen sie nun und mögen sich überlegen, wie das wohl war, all die Jahre, und ob es gute oder schlechte Jahre waren. Auch das im Mittelgang gehängte breite Format „Energiegeladen“ von Götze aus dem Jahr 2007 kann nun neu gedeutet werden: Die rote Farbe, die aus der linken Hand des comicartigen Mannes über einen von Büroutensilien überladenen Tisch geschleudert wird, könnte auch ein bisschen Wut über ungerechte Eigentumsverhältnisse beinhalten.

Aber dieser Kontext muss ja nicht überstrapaziert werden: Die Ausstellung „Große Formate“ gibt einen ordentlichen Ein- und Überblick über die Art der Kunst, die von der Galerie Sperl angeboten wird und das hoffentlich ab Anfang nächsten Jahres in der Innenstadt auch weiterhin tun kann. Es muss ja nicht immer Holländisches Viertel sein.

Kommt man in den Hauptraum, wird man von einer monumentalen Arbeit von Stephan Velten begrüßt, und auch sie könnte als Kommentar zum aktuell alles bestimmenden Neoliberalismus gedeutet werden: Aus zartgelbem Untergrund erscheinen auf sechs Tafeln immer wieder Gesichter, die allerdings aufgrund der Binde, die sie tragen, unfähig sind – weder zur Analyse taugen sie, noch zur Vision in eine Zukunft, es sei denn, in eine düstere. Aber sie haben immerhin das Ästhetische für sich und zeigen einen Kampf, den ewig menschlichen, den oft vergeblichen.

Da hält man sich doch gerne bei dem Still-Leben von Elena Gatti auf, das die Elemente, die ein traditionelles Still-Leben beinhaltet, zwar auch zeigt, aber modern gebrochen, nicht zusammengehörig die einzelnen Teile, aber zusammengehalten von einer ruhigen, blauen Meditation. Und einfach mal schön sind. So kann es ja auch sein, das Leben. Und lebendig, das zeigt vor allem das riesengroße Format von Hans-Hendrik Grimmling mit „Julivier“, in dem er vor Freude einfach nur so strotzt und seine abstrakten, strengen Formen in leuchtende Farben gießt: Rot ist da zu sehen, Grün, Gelb und blau, natürlich auch Schwarz, ohne das es bei Grimmling nicht geht. Das Bild, das oben auf der ersten Etage hängt, wirft seinen freudigen, und man möchte fast sagen, utopistischen Schein in die Galerie.

Mit einem besänftigenden großen Blumengemälde („Zwischen oben und unten“) grüßt Kerstin Heymann auch optimistisch, einzig die Affen von Andreas Schildhauer scheinen ihren skeptischen Blick kultivieren zu wollen, aber man weiß ja, dass Affen weniger Visionen entwickeln können als Menschen. Matthias Körner bietet in seinen sehr großen „Fotografik“-Formaten aus der Reihe „Metamorphosen“, Einblick in tiefe Strukturen, die sich unter den Oberflächen befinden. Dagmar Misselhorn schickt Wolkengrüße und lässt uns im dunkelblauen Himmel und seinen Wolkengebilden die Zukunft erträumen. Die übergroße „S“ genannte Schaufel von Rainer Fürstenberg steht da, als könne es gleich ans Umgraben gehen, ans Abtragen der alten Schichten, um neue Gründe zu finden, für das Leben, für die Arbeit. Astrid Germos Frauen sitzen draußen vor der Tür in ihrem Paradiesgarten und fragen sich, was denn die Fische bedeuten. Sie wissen offenbar selbst nicht so genau, ob sie genießbar sind.

So erhalten auch Nahrungsmittel in diesem Kontext eine mögliche andere Bedeutung und weisen weit über sich selbst hinaus, wie es die gesamte Ausstellung tut. Noch bis Ende des Jahres sind die Sperls in der Mittelstraße und ab Frühjahr hoffentlich in einer anderen, hoffentlich ebenso guten Galerie.

Große Formate sind bis Sonntag, den 7. September zu sehen, Mi-So 12 bis 18 Uhr. Ab 14. September stellt Dieter Zimmermann aus.

Lore Bardens

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