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Kultur: Uschis ulkigstes Sushi

Edgar May und Michael Ranz im Kabarett Obelisk

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Edgar May und Michael Ranz im Kabarett Obelisk Schaut man mal auf die Altersstruktur eines Kabarettabends, wie am Mittwoch beim Gastspiel von Michael Ranz und Edgar May im Obelisk, dann kann man die bösen Ahnungen der Veranstalter gut nachvollziehen. Das Kabarett im Osten hat anscheinend ziemlich dieselben Probleme wie die PDS, einen natürlichen Zuschauerschwund von statistischen sechs Prozent. In den nicht ganz vollen Reihen sitzen zumeist Junggebliebene. Die wahre Jugend aber, so sieht es aus, bleibt wohl lieber beim Fernsehen daheim. Dabei liefern Ranz und May mit „Cash“ ein ziemlich bravouröses Programm ab. Eigentlich müsste man sagen, es handelt sich um ein Soloprogramm von Michael Ranz. „Edgar“ am E-Piano ist pfiffiger Stichwortgeber und verlässliche Begleitung. Ranz, der zehn Jahre zum Ensemble des Obelisk gehört hat, in feinem Nadelstreifen und Krawatte, bringt in diesem dritten Gastspiel ein auf das kabarettistische Lied konzentriertes Programm. Eine Nummernrevue, bei der sein musikalischer, tief dringender Bass und seine Fähigkeit, mit brillanter Einfühlung die unterschiedlichsten Rollen anzunehmen, seine größten Stützen sind. Da Kabarett wie in einem Garprozess, bei dem das Publikum zunächst langsam zum Köcheln gebracht werden muss, um es dann über den Siedepunkt zu bringen, ergebnisorientiert funktioniert, mag es gestattet sein, die Sache von den umjubelten Zugaben, also dem Ende her, zu betrachten. „Uschi, heut“ Nacht führ“ ich dich aus zum Sushi“, die erste Zugabe, lässt die Jubeldämme schon beim ersten Heben der Augenbraue platzen. Ranz“ trockener Kommentar: „Sie haben wohl nur auf dieses Lied gewartet.“ Mit Recht, denn bei diesem Stück renommiert sein Wechselspiel mit diversen Akzenten. Der Höhepunkt des Programms, in dem das menschliche Begehren nach Reichtum und Wohlstand seziert wird, war ohne Zweifel das begnadet vorgetragene Lied des korrupten Kapitalisten. Die bösartigen Kommentare („Investigativer Journalismus – klar habe ich viel investiert. Der Kerl arbeitet jetzt in der Kulturredaktion“) bettet Ranz in ein fortwährendes, wegen seines Realismus“ schon fast abstoßendes Dauerlachen. „Schwarzarbeit ... – Lachen, Prusten – meine Leute kommen alle aus Weiß-Rußland.“ Ob der sächselnde Ossi, der aus sechs Kuba-Orangen acht Liter Orangensaft machen konnte und sein Begrüßungsgeld wieder zurückzahlen möchte, oder die neureiche Schwuchtel Dennis mit Verarmungangst, die meint, unter Alzheimer-Bulimie zu leiden: „Ich esse immer mit Heißhunger und vergesse dann zu brechen“, Ranz beherrscht großartig die Kunst, Tonfall, Mimik und Text zur sicheren Pointe zu vereinen. Den Rahmen des Üblichen übertreffen beide durch fein gestreute Subversion, indem sie das ahnungslose Publikum beleidigen. „O.k., alle hier sind total verarmt und sehen be...ssen aus. Das ist normal. Solche Leute gehen gerne ins Kabarett.“ Oder sie bringen wie in zum Schluss die Menge dazu, stumpf den Refrain „Geld, Geld, Geld“ mitzusingen, um zu zeigen, wie leicht man an der Nase herumgeführt werden kann. Alles ist käuflich, natürlich auch Ranz und May, vor allem heute und morgen im Obelisk. Matthias Hassenpflug

Matthias Hassenpflug

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