Kultur: Variationen „Tango à trois“ im Nikolaisaal
Nachdem er nacheinander alle Tonarten durchkomponiert hatte, sei sein jüngstes Stück sicherlich in „heses“ geschrieben, verkündete Pianist Peter Ludwig seinen Künstlerkollegen an Violine (Arben Spahiu) und Cello (Peter Wöpke). Letzterer wollte es nicht glauben: „Steht eh in a-Moll“.
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Nachdem er nacheinander alle Tonarten durchkomponiert hatte, sei sein jüngstes Stück sicherlich in „heses“ geschrieben, verkündete Pianist Peter Ludwig seinen Künstlerkollegen an Violine (Arben Spahiu) und Cello (Peter Wöpke). Letzterer wollte es nicht glauben: „Steht eh in a-Moll“. So kam die Kreation „Tango in E“ zu ihrem Namen. Behauptete jedenfalls sein Schöpfer mit Augenzwinkern und viel Schalk im Nacken, als er den erstmaligen Auftritt des Münchner Ensembles „Tango à trois“ im Nikolaisaal-Foyer mit launigen, nicht immer ernst gemeinten Erläuterungen zu den einzelnen Stücken versah. Während einer überaus vergnüglichen „Stunde der Musik“ schüttete die prächtig aufeinander eingespielte Truppe das Füllhorn tangogeprägter Kammermusik aus. Man kam aus dem Staunen nicht heraus, und das über zwei Stunden lang. Mit in die Stuhlreihen gestellten Bistrotischen und Kerzenlicht war ins Foyer ein klein bisschen pariserische Baratmosphäre gezaubert.
Schier unerschöpflich schien zu sein, was Peter Ludwig mit der lateinamerikanischen Tanzform afro-kubanischen Ursprungs im langsamen Zweiviertel- oder lebhaften Vierachtel-Takt alles anzustellen versteht. Rasant tanzt der eingangs erklingende „Tango in E“ vorüber, um alsbald in weiteren Abwandlungen von jenen erotischen Verführungen zu künden, wie sie die „Schräglage der dicht aneinander gehaltenen Körper, die zuckenden Bewegungen und katzenartigen Schritte“ zu erzeugen verstehen. Was zu-nächst reichlich anstößig war, ist heute vom Tanzparkett nicht mehr wegzudenken. Alle Ludwig-Kreationen, wovon einige an diesem Abend sogar ihre „Welturaufführung“ erlebten, folgen dem stark synkopierten Tango-Rhythmusmodell fern der Piazollaschen Kunstfertigkeit, der sie quasi das irdische, tanzboden- und barverhaftete Pendant sind. Sie offenbaren einen Facettenreichtum ohnegleichen und sind stets kleine, liebevoll gemalte Genrebilder.
Lasziv knistert es im „Séparée“, tanzt es elegant und pointiert im „Café Banlieue“, lodern die Leidenschaften mit geradezu operntheatralischer Intensität. Was kein Wunder ist, sind doch Arben Spahiu und Peter Wöpke Konzertmeister bzw. Solocellist des Orchesters der Bayerischen Staatsoper. Ihre hohe Kunstfertigkeit wissen sie ganz ungekünstelt in den Dienst des unterhaltsamen Genres zu stellen. So erzählen sie auch, wie sie sich „Hawaii“ im sentimental angehauchten, gleichnamigen Traum-Tango vorstellen können wollen. Elegisch, von schmachtenden „Augenaufschlägen“ der Saiten begleitet, zeigt sich „Amour fou“. Hat sich Peter Ludwig diese auch so vorgestellt, ehe er zu Stift und Notenpapier griff? Brauchte es gar diesbezüglicher Champagnerunterstützung, um durch reichlichen Genuss von „Vieuve Cliquot“ ins sentimentale Träumen zu kommen?
Natürlich durfte auch eine Hommage an „Berlin“ nicht fehlen, in der sich unruhig-selbstbewusste Klavierattacken mit Sechzehntelläufen der Streichinstrumente verbinden und lautstark anschwellen – als wollten sie das Erwachen der Metropole hin zur Tagesgeschäftigkeit nachzeichnen. Damit der beißwütige Hund Cäsar ihn nicht vergesse, habe er ihm den gleichnamigen Tango gewidmet, behaupten die Schnurrenplaudereien des kleinkunsterfahrenen Komponisten. Die Nachausdeutung des Titels „Le Petit“ (Der Kleine) behauptet, er sei dem umtriebigen französischen Staatspräsidenten Sarkozy auf den Leib geschneidert So geht es fort und fort. Der Beifall will kaum enden.Peter Buske
Peter Buske
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