Kultur: Variationen und Varianten
Michael Sanderling dirigiert im ersten Sinfoniekonzert Leonoren-Ouvertüren
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Variationen und Varianten! Unter diesem Motto stehen in der Spielzeit 2006/2007 die Sinfoniekonzerte der Kammerakademie Potsdam.
Im ersten Sinfoniekonzert der Spielzeit am 16. September um 19.30 Uhr im Nikolaisaal stehen mit den drei Leonoren-Ouvertüren sicherlich die bekanntesten Ouvertüren-Varianten der Musikgeschichte auf dem Programm. Beethoven schrieb sie für seine einzige Oper „Fidelio“. 3,2,1 – Vergleichen Sie selbst!
Dass Beethoven auf dem Gebiet der Oper zumindest quantitativ weit hinter den führenden zeitgenössischen Opernkomponisten zurückblieb, scheint mancher romantische Apologet beim Schaffen des Beethoven-Mythos als Makel empfunden haben, der durch Perspektivenverengung getilgt werden musste. Was bot sich hierfür Besseres an als die einzigartige Leistung von vier Ouvertüren für Fidelio/Leonore herauszuheben. Und so setzt Robert Schumann 1839 deutsche Gründlichkeit und Naturbegabung vs. leichte Kost und tumbe Massenware: „...ein denkwürdiges Zeugnis einesteils des Fleißes und der Gewissenhaftigkeit, andernteils der wie im Spiel schaffenden und zerstörenden Erfindungskraft dieses Beethoven, in den die Natur nun einmal verschwenderisch niedergelegt, wozu sie sonst tausend Gefäße braucht. Dem großen Haufen freilich gilt es gleich, ob Beethoven zu einer Oper vier Ouvertüren schrieb und ob z.B. Rossini zu vier Opern eine Ouvertüre.“ Ganz ohne chauvinistischen Beiklang und „deutschen kollektiven Narzißmus“ ging es offenbar nicht, wenn es galt, die Besonderheiten der Beethovenschen Ouvertüren und das „reiche Gemüt des Meisters in seiner Werkstatt“ zu ergründen.
Ein Jahr später führte dann Felix Mendelssohn Bartholdy erstmalig sämtliche Ouvertüren zu „Fidelio“ in einem Konzert auf. Die drei „Leonoren“-Ouvertüren (alle in C-Dur) führen noch heute eine Existenz als brillante Konzertouvertüren; der Oper voraus geht jetzt im Allgemeinen die sprühende „Fidelio-Ouvertüre“ in E-Dur.
Charles Ives „Washington“s Birthday“ und Portals für Streichorchester von Carl Ruggles ergänzen das Programm. Ives und Ruggles gelten als die großen Pioniere der amerikanischen Musik im 20. Jahrhundert. Ihre Werke klingen so unverbraucht und frisch wie am ersten Tag.
Zudem wird in die traditionsreiche Reihe der Sinfoniekonzerte ein innovatives Moment einfließen: „unerhört?gehört!“. Eine kurze moderierte musikalische Überraschung aus dem 20./21. Jahrhundert.
Das Programm wurde ausgewählt von Michael Sanderling. Er wird an diesem Abend zum ersten Mal ein Sinfoniekonzert der Kammerakademie Potsdam nicht mehr als Gast, sondern in seiner neuen Funktion als Chefdirigent des Orchesters dirigieren.
Vor dem Konzert gibt es um 18.30 Uhr im Nikolaisaal eine Einführung in die Werke des Abends
Sandra Huckenbeck
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