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Beiläufige Pointen. Manfred Krug.

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Kultur: Verbale Miniaturen Manfred Krug las im Potsdamer Nikolaisaal

Man ging, wie man kam. Man hatte sich ein wenig (nicht viel mehr) amüsiert, so ganz beiläufig.

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Man ging, wie man kam. Man hatte sich ein wenig (nicht viel mehr) amüsiert, so ganz beiläufig. Hatte mal wieder und diesmal leibhaftig den aus Film und Fernsehen bekannten Schauspieler gesehen und gehört. Mit seinen eigenen Geschichten, die im letzten Jahr nach dem erfolgreichen Hörbuch nun auch in Lese-Buchform erschienen sind und wohl unter so manchem Weihnachtsbaum gelandet waren. Der Samstagabend im Nikolaisaal lief aber doch wie nebenbei ab. Ein wenig wie unentschlossen das Ganze. Nicht, dass Manfred Krug an Bühnenpräsenz eingebüßt hätte. Aber allein der Eindruck, dass es sich um eine Primavista-Lesung der vier ausgewählten Geschichten aus „Schweinegezadder“ handelte, der nicht stimmen kann – denn Krug ist damit jetzt schon länger auf Tour –, zeigt fehlende Intensität auf. Am besten war er da, wo er quasi extempore sein Publikum ansprach – beispielsweise als er sich mit augenzwinkernder Ironie in die Reihe der schriftstellernden Schauspielerkollegen wie Shakespeare, Goldoni, Moliere oder Nestroy stellte, oder aber seine besondere Liebe zum Veranstaltungsort damit begründete, dass „hier so schöne große Brüste an den Wänden hängen“.

Doch es ging um seine Kurzgeschichten. Eine Herausforderung a priori, denn dieses Genre verlangt präzise sprachliche Virtuosität, will es wirken. Sprich: Kurz, bündig und gut. Überraschende Wendungen, witzig und unverfehlte Pointen. Freilich haben die Geschichten alle ihre markanten, skurrilen oder absurden Grundeinfälle: Wer zahlt schon einem glücklos-untalentierten Schauspieler 30 000 Euro dafür, dass er vier Wochen lang als Kuckuck einer Monster-Kuckucksuhr auftritt? Oder ist ein noch so allerliebstes Kätzchen wirklich hinreichender Grund für Heirat und frühen Gattinnenmord?

„Stoffwechselendprodukte“ auf dem Weg ins Labor und im Auge schmuggelwitternder Zöllner, unentdeckte Aale unterm S-Bahn-Sitz oder ein allmorgendliches Händeschüttel-Ritual in einem DDR-Labor sind nicht weniger „geschichtenträchtig“. Durchaus, es gibt sie, die Pointen, doch diese scheinen Manfred Krug nicht wirklich wichtig zu sein. Freilich steuert er sie an, aber das wirkt wie beiläufig, wie zweitrangig. Seine Kurzgeschichten leben von den amüsanten Wortspielen, kuriosen Teilsituationen und der wie improvisierten Fabulierkunst, das Lachen und Schmunzeln passiert „unterwegs“. Das ist nicht das schlechteste, macht einen solchen Leseabend durchaus kurzweilig, aber nicht tiefgründig und spannend. Gerechterweise sei angemerkt: Das will Manfred Krug auch nicht. Spannung hatte er genug – als Fernsehkommissar oder „auf Achse“. Er lebt hier seine Freude an mehr oder minder detaillierten verbalen Miniaturen aus, und hat da zurecht sein zahlreiches Publikum.

Vor und zwischen den Geschichten gab es Jazz am großen Steinway-Flügel. Matthias Bätzel improvisierte technisch beeindruckend, virtuos. Allerdings war der Schlusssatz aus Krugs letzter Geschichte („Wir alle fühlen uns wohl“) nicht auf sein Spiel übertragbar: Wenig flexibel, biegsam und moduliert schlug der Professor für Jazzpiano und Hammondorgel aus Weimar auf die Tasten, durchgehend hart im Anschlag und mit der nervigen Macke, überlaut und ständig mit den Füßen das Metrum zu klopfen. Einzig der Moment, als Manfred Krug in einer kurzen Phrase spontan mitsang, ließ das aufblitzen, was Jazz so lebendig macht. Aber das war eben nur ein Moment, und so blieb das Gehörte – wie am Ende der ganze Abend – wenig spektakulär. Christina Siegfried

Christina Siegfried

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