Jan Böhmermann im Waschhaus: Verbalstakkato
Weniger wäre mehr gewesen: Jan Böhmermann redete sich in der Waschhaus-Arena um Kopf und Kragen - seine pointierte Bissigkeit ging dabei leider etwas im Sperrfeuer unter.
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Wenige Tage vor dem Auftritt in der Waschhaus-Arena am vergangenen Freitag zeigte Jan Böhmermann in seiner TV-Show „ZDFneo Magazin“ einen Beitrag mit dem Titel „Blamielen odel Kassielen“: Er hatte Stefan Raab für dessen Format „Blamieren oder Kassieren“ einen Beitrag untergejubelt, der die chinesische Kopie der Show darstellen sollte – mit deutschen, chinesisch aussehenden Schauspielern, die einfach nur herumhüpften und die Speisekarte eines chinesischen Restaurants rezitierten. Getreu dem Motto „Wenn es die Chinesen kopieren, muss es gut sein“ schluckte Raab die Farce und mokierte sich über die Kopie. Zuletzt lachte aber Böhmermann, weil er augenzwinkernd entlarvte, wie sehr Geltungsbedürfnis über die Recherche der Redaktion gestellt wurde.
Wenn Böhmermann also mit etwas punkten kann, dann ist es seine Medienkompetenz. Gute, pointierte Beiträge für beinahe jede Art von Medien, in denen er darstellt, wie hoch die Beeinflussung der TV-Generation ist. Da lag am Freitag also eine recht hohe Erwartungshaltung in der Luft, als Böhmermann zu seiner am Ende knapp dreistündigen Show mit dem Namen „Schlimmer als Jan Böhmermann“ ansetzte. „Was macht Helene Fischer richtig, was ich falsch mache?“, fragte er sich in Anspielung auf die viel diskutierte Echo-Verleihung der vergangenen Woche. Nun, was er falsch macht, darauf kommen wir noch.
Zunächst tigerte Böhmermann in nervösen Bewegungen über die Bühne, redete sich um Kopf und Kragen und hatte deutliche Mühe, zum Punkt zu kommen. Das ist nicht weiter überraschend, macht er doch zusammen mit der anderen Quasselstrippe Olli Schulz eine Radioshow bei radioeins, die von zügigen Verbalstakkatos lebt. Aber genau das ist vielleicht der Punkt: Ohne Stichwortgeber und ohne bremsenden Ko-Moderator sprudelte Böhmermann in einer Tour los, was es oftmals schwierig machte, ihm zu folgen. Was sehr schade war, denn die pointierte Bissigkeit wurde manchmal einfach weggequasselt, ohne im Sperrfeuer messerscharfer Attacken auf die mediale Berichterstattung zünden zu können. Das machen Kollegen wie Oliver Kalkofe, der im selben Teich fischt, wesentlich besser: Weniger ist mehr.
Aber das, was wirklich unten ankam, hatte es in sich: Tragödie+x=Komödie, lautete das Credo, weshalb sich Böhmermann bevorzugt an Tragödien verging. Die Deutschen seien bekannt für ihren Humor, weshalb der Zweite Weltkrieg ja nur komplett ironisch gemeint sein konnte. Und dann bekamen alle ihr Fett weg: Campino etwa, der 17-Jährige im Körper eines 83-Jährigen, der nur von einer Lederhose zusammengehalten wird, Markus Lanz, für den er zum Gospel-Gebet aufrief oder Beate Zschäpe, deren Musical demnächst im Zwickauer Horst-Wessel-Theater Premiere habe, oder auch Flug MH370 (Tragödie+keine Deutschen=Komödie). Noch interessanter wäre allerdings, ob Böhmermann, der so hart austeilt, auch einstecken kann. Oliver Dietrich
Oliver Dietrich
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