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Kultur: Verdun: Die Hölle auf Erden

Olaf Jessen stellt sein Buch im HBPG vor

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„Granatsplitter, die nicht einmal zwei Männer anheben können, schneiden als gezackte Riesenbrocken Menschen der Länge nach entzwei, hämmern Schädel wie durch Keulenschläge in den Brustkorb hinein oder zerstampfen Körper bis zur Unkenntlichkeit“, notiert ein deutscher Soldat am 22. Februar 1916 auf einen Zettel. Tags zuvor hatte das deutsche Heer, nach einem gewaltigen Artillerie-Bombardement, seinen Angriff auf die französische Festungsstadt Verdun begonnen. Die französischen Soldaten konnten ihre Verteidigung jedoch rasch wieder aufbauen. Es begann ein monatelanges Gemetzel, die „Urschlacht des Jahrhunderts“, wie der Historiker Olaf Jessen sein im letzten Jahr erschienenes Buch „Verdun 1916“ untertitelt. Am heutigen Mittwoch stellt Jessen sein Buch im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte vor.

In der tagebuchähnlich angelegten Studie wechselt Jessen ständig die Perspektive. Zwischen den Schützengräben und Lazaretten beider Seiten, den Hauptquartieren der französischen, deutschen oder britischen Befehlshaber oder den Debattiertischen der Politiker in den Hauptstädten geht sein Blick hin und her. Gestützt auf umfangreiches Quellenmaterial ist Jessens Darstellung weit mehr als ein Schlachtengemälde militärhistorischen Zuschnitts. Denn er schildert etwa den Frontalltag in den verschlammten Schützengräben und lichtlosen Kasematten, den zermürbenden Horror der ständigen Trommelfeuer, Granatdetonationen und Giftgasschwaden ganz unmittelbar, wodurch vor allem das Leid und zugleich die Brutalisierung der Soldaten als auch der Wahnsinn dieses Massensterbens deutlich werden.

Eine weitere Stärke des Buchs liegt in der Auseinandersetzung mit den Intentionen des deutschen Generalstabschefs Erich von Falkenhayn. Anhand zahlreicher archivierter Akten kann Jessen belegen, dass es Falkenhayn keineswegs darum ging, den Gegner in einer Abnutzungsschlacht auszubluten, wie er später fest behauptete. Ursprünglich sollte das Stellungspatt überwunden und wieder ein Bewegungskrieg herbeigeführt werden. Ein Plan, der umgehend gescheitert war. Dennoch tobte die bis dahin größte Materialschlacht der Geschichte 300 Tage und Nächte, ehe sie am 20.Dezember 1916 ungefähr dort endete, wo sie begann. Die Umgebung Verduns glich da längst einer Mondlandschaft. Ganze Dörfer, Straßen und Wälder waren buchstäblich verschwunden. Weithin erstreckte sich nur noch ein kahles, von Granattrichtern durchzogenes Ödland, in das sich die Gebeine gefallener Soldaten eingepflügt hatten. Die Schlacht um Verdun, die rund 700 000 Tote und Verwundete gefordert hatte, war in vieler Hinsicht eine Binnenzäsur des Ersten Weltkriegs. Wie Jessen aufzeigt, verschärfte sie unter anderem den Niedergang des deutschen Heeres, stieß die Entwicklung moderner Luftwaffen an und beschleunigte den Kriegseintritt der USA. Daniel Flügel

Am heutigen Mittwoch um 18 Uhr stellt Olaf Jessen sein Buch „Verdun 1916“ im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Am Neuen Markt 9, vor.

Daniel Flügel

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