zum Hauptinhalt

Kultur: Verführung am plätschernden Brunnen „Joseph und seine Brüder“ im Näser-Garten

Gärten als Orte der Verführung: In der Bibel lockte der Garten Eden mit listiger Schlange und verführerischen Äpfeln Adam und Eva in die sündige Versuchung. Heute locken Gärten immer noch zu Sinnesfreuden – wenn vielleicht auch etwas harmloserer Natur.

Von Sarah Kugler

Gärten als Orte der Verführung: In der Bibel lockte der Garten Eden mit listiger Schlange und verführerischen Äpfeln Adam und Eva in die sündige Versuchung. Heute locken Gärten immer noch zu Sinnesfreuden – wenn vielleicht auch etwas harmloserer Natur. So wie am vergangenen Samstag: Im Rahmen der Reihe „Im Garten vorgelesen“, bei der Privatpersonen ihre Gärten für Publikum öffnen, lud die Urania zu einer Lesung nach Bornim ein. Im „Fuchsienparadies“ von Christa und Konrad Näser lasen das Schauspielerehepaar Anna Schudt und Moritz Führmann das Ende des dritten Bandes der Tetralogie „Joseph und seine Brüder“ von Thomas Mann.

Die Romanreihe ist eine ausführlich ausformulierte Erzählung der biblischen Geschichte rund um Jakobs Lieblingssohn Joseph, der von seinen eifersüchtigen Brüdern nach Ägypten verkauft wird und dort im Hause Potiphars, dessen Frau ein Auge auf Joseph wirft, zu Ansehen aufsteigt. Die Lesung konzentrierte sich nun ganz auf die Beziehung zwischen Joseph und der Frau des Potiphar, die im Roman den Namen Mut-em-Enet trägt. Wie Thomas Mann erzählt, verzehrt sie sich schon seit drei Jahren nach Joseph und wagt nun endlich den Annäherungsversuch, dem Joseph jedoch widersteht, woraufhin sie in verletzter Eitelkeit behauptet, er hätte versucht, sich ihr unsittlich zu nähern.

Was die Bibel in wenigen Versen darstellt, zelebriert Thomas Mann in einer sprachlich Flut aus inneren Monologen und Dialogen, die Anna Schudt und Moritz Führmann in einer fast szenischen Lesung wunderbar darstellten. In einem emotionalen Wechsel aus donnernder stimmgewaltiger Rezitation und komödiantischen Übertreibungen hauchten sie dem Text so viel Leben ein, dass die Geschichte vor den Augen der Zuschauer lebendig wurde. Fast schien Schudt bedrohlich zu wachsen, wenn sie die von Liebestollheit und Zorn getriebene Mut-em-Enet mimte, um im nächsten Moment sanft schnurrend Joseph von ihrer Liebe zu überzeugen. Treffend auch ihre Darstellung der lispelnden Liebenden, die sich vor lauter Begehren die Zunge wundgebissen hat. Die durch den Sprachfehler hergestellte Lächerlichkeit gab dem Text eine komische Note, die für lockere Stimmung sorgte.

Führmann, der von 2004 bis 2009 am Potsdamer Theater Hans Otto Theater gespielt hat, glänzte mit seiner samtigen Stimme, die er mal abgeklärt vernünftig, mal schwankend unsicher klingen ließ. Dabei verstand er es, mit dezenten Handgesten das Gesagte zu unterstreichen und in den Köpfen der Zuschauer festzumeißeln. Dabei flossen die Schauspielkünste beider Lesenden zu einem perfekt inszenierten Literaturgenuss zusammen.

Unterstrichen wurde die Sinnesverführung durch das bezaubernde Harfenspiel von Eva Curth, die mit den plätschernden Gartenbrunnen zusätzlich für sinnliche Stimmung sorgte. Besonders erwähnt sei auch die köstliche Texteinführung zu Beginn von Hans-Jochen Röhrig – ebenfalls ehemaliger HOT-Darsteller –, der als Quellen für Manns Romanreihe neben der Bibel und dem Koran auch das Lied „In der Bar zum Krokodil“ von den Comedian Harmonists aufführte.

Somit stellte der Abend genau die richtige Mischung aus kultureller-, humoristischer- und sinnesanregender Verführung dar. Sarah Kugler

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false