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Kultur: Vergnügliche Hochtief- Ausgrabungen Nikolaisaal: Saisonfinale

für „Stunde der Musik“

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„Das Wichtigste, was das Publikum von einem Komponisten erwartet, ist, dass er tot ist“, behauptet der Schweizer Arthur Honegger (1892-1955), in Paris Mitglied der berühmten „Group des Six“, Klangporträtist der Lokomotivlegende „Pacific 231“ und der oratorischen Bekenntnisse der „Johanna auf dem Scheiterhaufen“.

Da er tatsächlich tot ist, erwartete man beim Saisonfinale der „Stunde der Musik“-Reihe am Sonntagnachmittag im Nikolaisaal-Foyer nun ebenfalls viel Wichtiges von ihm. Beispielsweise die originelle Sonatine für Violine und Violoncello, die, wie alles andere Erklingende, als Ersatz für das vorgesehene Duettieren von Violoncello und Akkordeon herhalten muss. Verhältnismäßig kurzfristig hatten die Künstler absagen müssen. Streichermitglieder der Kammerakademie Potsdam sprangen ein – und blieben mit ihren Angeboten dem Ungewöhnlichen und Überraschenden dennoch auf der Spur.

Wie klingen die Mitglieder der Streicherfamilie, von der Geige bis zum Kontrabass, in wechselnden Kombinationen zusammen? Vorzüglich, so das Fazit der Unternehmung, und nicht nur im Falle von Honegger. Nachdem Peter Rainer (Violine) mit obiger verbaler Sentenz die Bereitschaft der Zuhörer fürs Kommende geweckt hatte (zu jedem weiteren Komponisten fiel ihm Passendes ein!), gibt es mit Jan-Peter Kuschel (Violoncello) ein vortreffliches, tongebungs- und lagenwechselleichtes Zwiegespräch. Zunächst unisono geführt, geht alsbald jeder seiner Wege. Doch stets bleibt ein freundlicher Tonfall gewahrt, entfaltet sich eine differenzierte, reizvolle, geradezu orchesternahe Klangfülle. Der klare und weichgetönte, überaus schlank gehaltene Klang beider Instrumente verhilft dem elegischen Andante zu eindrucksvoller Wirkung. Mit kapriziöser Springbogentechnik geht es im finalen Allegro übermütig zu, so als führe man eine Burleske à la Goldoni auf.

Als ob Cellisten nicht genügend solistische Spielliteratur zur Verfügung hätten: müssen sie nun auch noch den Fagottisten ihre spärlichen kammermusikalischen Solonummern wegschnappen?! Oder ist ihnen die ursprünglich akkordstützende Begleitrolle in Mozarts B-Dur-Fagottsonate KV 292 nicht ausfüllend genug? Wie auch immer: dank Editorhilfe von Dietrich Berke können sie nun in selbigem Gelegenheitswerk endlich die Führungsrolle übernehmen! Jan-Peter Kuschel singt das melodieführende Solo sozusagen mit vokalem Wohllauf in dunkelgetönter Lage. Und wer übernimmt den Continuopart? Der Kontrabass natürlich, der in Gestalt von Tobias Lampelzammer gleichsam als gutmütiger Großvater seine kommentierende Unterstützung gewährt. Die Klangbeweglichkeit gegenüber dem Original ist instrumentenbedingt eingeschränkt.

Nicht so bei der ausgegrabenen Hochtiefkombination „Together“ von Isang Yun (1917-1995), in der je nach Standpunkt der Ferne Osten auf den fernen (oder nahen?) Westen trifft. Geige und Kontrabass lassen oszillierende Klangflächen entstehen, streichen leicht und zart die fantasievollsten Figurationen bis hin zum Rabiaten. Sehr berührend. Alle Streicher zusammen führen abschließend das E-Dur-Streichquintett Nr. 7 op. 50 von Adolphe Blanc (1828-1885) auf, von dessen öffentlicher Aufführung ein Herausgeber einst „dringend“ abriet: „Nur für den Hausgebrauch geeignet“. Wahrscheinlich erstmals in Potsdam gespielt, erfreut man sich an einer klangreinen, leicht und mit kammermusikalischem Sachverstand gespielten, leidenschaftserfüllten, geistvollen Unterhaltungsmusik.

Peter Buske

Peter Buske

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