Kultur: Vergnügliches Inga Kalna und Private Musicke im Raffaelsaal
Sichtlich amüsiert schlurft Sopranistin Inga Kalna in viel zu großen Filzlatschen übers Marmorparkett im Rafaelsaal der Orangerie Sanssouci, damit sie mit ihren extrem Hochhackigen selbiges nicht zerstöre. Doch Inga Kalna kommt bei ihrem Balanceakt nicht ins Straucheln, erreicht das Podium ohne Müh und Not.
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Sichtlich amüsiert schlurft Sopranistin Inga Kalna in viel zu großen Filzlatschen übers Marmorparkett im Rafaelsaal der Orangerie Sanssouci, damit sie mit ihren extrem Hochhackigen selbiges nicht zerstöre. Doch Inga Kalna kommt bei ihrem Balanceakt nicht ins Straucheln, erreicht das Podium ohne Müh und Not. Von dort singt sie am Donnerstagabend mancherlei Ergötzlichkeiten vom frühbarocken Liedermacher Adam Krieger, der als Hoforganist und kurfürstlicher Musiklehrer in Dresden tätig war. Seine Betrachtungen über „Vergänglichkeit und Schäferei“, so der Titel des verheißungsvollen Musikfestspiele-Beitrags, nennen sich zwar „Arien“, entpuppen sich allerdings als amüsant vertonte, in geselliger Runde vorzutragende Strophenlieder mit manchem moralischen Seitenhieb. Sie künden von den Wonnen des Weingottes Bacchus, den Lüsten von Aurorens Brüsten, Trennungsschmerz von der Geliebten. Dass ihm ob solcher „liderlichen Liedlein“ das angestrebte Thomaskantorat in Leipzig verweigert wird, ist daher verständlich.
Doch Naserümpfen ist bei heutigen Hörgenießern nicht auszumachen, eher ein verschmitztes Mienenspiel oder ein vergnüglicher Blick an den seitsitzenden Partner. Wenn beispielsweise der edle Rinkauer als köstlicher Wein lobgepriesen wird, dürfte sich mancher an eine ähnlich tolle Kreszenz erinnert haben. Dass in diesem Fall nur vier von zwölf Strophen vorgetragen werden – in anderen Fällen ist ebenfalls der freiwillige Rotstift am Werk –, dürfte kaum zum Schaden der schlichten Poeterei und ihrer adäquaten Vertonerei gewesen sein. Nach jeder Liedstrophe schiebt sich ein instrumentales Ritornell ein. Die „Private Musicke“, eine bunt zusammengewürfelte Truppe von Spezialisten für frühbarockes Musizieren, besteht aus zwei Violinen, Barockgitarre und dem Continuo, das mit drei Gamben, Cembalo und Truhenorgel recht üppig und klangsinnlich ausgestattet ist. Die lettische Sängerin kann daher auf stilkundig ausgeführte Alte-Musik-Begleitung bauen, sich in den Liedern ganz von ihrer stimmlyrischen Seite zeigen und braucht kaum gestalterische Abwechslung, Tiefgründigkeit oder Textverständlichkeit huldigen. Ihr intonationssicherer, vibratoreicher, leicht geführter Sopran kann mühelos strömen, sich ganz auf schlichte Linie konzentrieren.
Zwischen den Gesangsbeiträgen sind diverse Tanzstücklein wie Allemanden, Galliarde und Courante eingefügt. Auch Sonaten von Samuel Scheidt, Johann Hermann Schein, Johann Rosenmüller. Sie zeigen sich entweder melancholisch oder leidenschaftlich, frisch und munter. Doch vieles klingt einander sehr ähnlich. Originell die Sonata für drei Gamben und Basso continuo von Johann Michael Nicolai, deren unisono oder gegenläufig geführten Melodielinien erstens gut koordiniert sind und zweitens voller Wärme musiziert werden. Als brillante Tastenspielerei für Cembalo solo zeigt sich die feingliedrige Sonata von Johann Philipp Krieger, die mit verblüffenden harmonischen Wendungen, die wie Widerhaken im gefälligen musikalischen Ablauf wirken, reich versehen ist. Peter Buske
Peter Buske
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