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Kultur: Verinnerlichte Wirkungen

Kammermusikalische Orgelerbauung mit Giséle Kremer in der Französischen Kirche

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Kammermusikalische Orgelerbauung mit Giséle Kremer in der Französischen Kirche Für die Orgelmusik des 18. Jahrhunderts ist die historische Grüneberg-Orgel der Französischen Kirche am Bassinplatz hervorragend geeignet. Auch zeitlich zuvor entstandene Werke, so sie denn schlicht genug tönen, sind der Königin der Instrumente willkommen. Klangprächtiges ist ihre Domäne nicht, dazu sind die 13 Register, selbst bei fantasievollster Registrierung, kaum in der Lage. Also kann es nur heißen: in der Bescheidung auf das Machbare zeige sich der Meister. Am Sonnabend ist''s eine Anwärterin auf diesen Titel, Giséle Kremer. Sie ist gebürtige Luxemburgerin, hat in Stuttgart bei Bernhard Haas das Orgelspiel studiert und in Frankfurt am Main ein künstlerisches Aufbaustudium absolviert. In der Mainmetropole schafft sie freiberuflich, gibt Konzerte und unterrichtet. Dem Orgelsaisonfinale in der Französischen Kirche erwählt sie Stücke, die nicht im virtuosen Tonsatz daherkommen, sondern schlicht und verinnerlicht wirken wollen und stilistisch einander doch sehr ähnlich sind. Aparten Zuschnitts sollten die ausgewählten Register sein, abwechslungsreich die Artikulation vollzogen werden. Nicht immer hält sich die Orgelspielerin daran. Den Einstand vollzieht sie mit dem Stück „Bergamasca“ von Girolamo Frescobaldi (1583-1643), einem instrumentalen Variationssatz über ein volkstümliches Tanzlied aus dem norditalienischen Bergamo. Die einzelnen Veränderungen erklingen größtenteils im Principal-Achtfuß und Octave-Vierfuß. Flöte und Nasat sorgen gelegentlich für besinnliche Stimmungen. Aber irgendetwas fehlt. Es ist die Souveränität im Umgang mit den Noten und dem Instrument. Auch bei den Variationen über das Kirchenlied „Herr Christ, der einig Gottes Sohn“ von Melchior Schildt (1592/93-1667) bleibt es bei einem buchstabierten Versuch, Glaubensbekenntnis zu erzeugen. Langeweile ist da nicht fern. Das Finale erscheint principalstrahlend im vollen Orgelwerk. Doch die Künstlerin gewinnt sich alsbald interpretatorische Konturen, gestaltet prägnanter. Die f-Moll-Ciacona von Johann Pachelbel (1653-1706) bezaubert durch die sich darin offenbarende Spielfreude. Trübe Stimmungen wechseln mit glanzvollem Strahlen. Helle und klare Stimmen erwählt sich Giséle Kremer für die Variationen über „Mein junges Leben hat ein End“ von Jan Pieterszoon Sweelinck (1562-1621), die sich als reich figurierte und verspielte Abwandlungen des einprägsamen Themas entfalten. Klangfarblich zeigt sich „Pessamezzo“ von Samuel Scheidt (1587-1654) zunächst wenig abwechslungsreich. Dabei handelt es sich um eine variationsreiche Sammlung über einen italienischen Tanz im Zweiertakt, die einer Pavane nicht unähnlich ist. Nachdem einem das Grundschema des Passamezzo (von passo e mezzo: ein Schritt und ein halber) klar geworden ist, nimmt man die schier unendliche Fülle der Metamorphosen in ihrer reizvollen Farbenpracht auch besser wahr. So sorgt beispielsweise die Posaune im Pedal für überraschende Wirkung. Die Stunde quasi kammermusikalischer Orgelerbauung vergeht wie im Fluge. Peter Buske

Peter Buske

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