Kultur: Verinnerlichung
„Philharmonische Trompeten“ in der Erlöserkirche
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Wie es sich für die Adventszeit gehört, schwebte im Altarraum der Erlöserkirche noch immer der Stern von Bethlehem, lenkte ein exquisit gewachsener Weihnachtsbaum die Blicke auf sich. Den Herrn wird’s erfreut haben. Auch nach Weihnachten noch, obwohl das Geburtsfest Christi und das zeitgleiche heidnische Fest der winterlichen Sonnenwende eigentlich längst vorüber sind?! Oder erinnerte sich der Verein „Musik an der Erlöserkirche“ daran, dass einst von den Kirchenvätern auf dem Konzil in Mainz vier Weihnachtstage angeordnet wurden, die sich später auf drei reduzierten?! An solch einem dritten Weihnachtsfeiertag – den es ja auch nicht mehr gibt, nachdem ihn Friedrich Zwo 1773 als kirchlichen Feiertag abschaffte – lud das Neue Kammerorchester Potsdam zu seinem Weihnachtskonzert mit „Philharmonischen Trompeten“, wie sich die gefällige Zusammenstellung von italienischen Barockpiecen mit modernen musikalischen Zutaten nannte.
Des Titels Lösung verhieß die Begegnung zweier Generationen von Strahletrompetern, bei der Konradin Groth auf seinen einstigen Schüler Eran Reemy traf, der nun Mitglied der Israel Philharmonic ist. Und auch dirigieren kann, was er an diesem Abend sachkundig unter Beweis stellte – im Vivaldischen Concerto für Streicher „alla rustica“ RV 151 mit seinem dahinjagenden Einleitungs-Presto gleich aufgewühltem Lagunenwasser, Bilderbuch-Adagio und tänzerisch beschwingten Final-Allegro. Des Dirigenten rechtes, weil atmendes Tempomaß bewies sich auch in Corellis „Weihnachtskonzert“, dem g-Moll-Concerto-grosso op. 6/8. Lebendig und transparent wurde es mit erforderlicher terrassendynamischer Akribie musiziert. Und das abschließende Pastorale, Synonym für Weihnachten, verbreitete sich als Wiegenlied, das durch zurückhaltende Orgelklänge (Tobias Scheetz) seine einfühlsame Klangfärbung erhielt.
In Albinonis g-Moll-Adagio für Orgel und Streicher verband sich empfindungstiefer Orgelgesang mit dem pochenden Rhythmus des gezupften Kontrabasses und der Elegie der Streicher zu Klängen der Verinnerlichung: konzentriert, drängend, leicht schärflichen Tons gespielt. Für die sinnliche wie tiefsinnige Ausdeutung von zwei Stücken aus des Tschechen Petr Ebens Zyklus „Okna“ nach Glasbildern von Chagall trat Trompeter Konradin Kreutzer dem Organisten zur Seite. Sehr reizvoll zu erleben, wie man sich selbst die gemäßigt modernen, zuweilen an Messiaen erinnernden Klänge mit den projizierten Bildern in gefühlsmäßige Übereinstimmung brachte! Ob in Händels einleitender „Eternal source“, Petronio Franceschinis D-Dur-Sonate oder Vivaldis C-Dur-Concerto für jeweils doppelte Soloinstrumente beziehungsweise in Solokonzerten von Torelli (Reemy) oder Händel (Groth): stets bevorzugten die Könner auf der Piccolotrompete den schneidigen, strahlenden, direkten und durchdringenden, für Glanz sorgenden Ton sowie einen kraftvollen Ansatz in der Manier eines Maurice André. Frappierend, wie sich das Klangideal des Lehrers in dem seines Schülers wiederfand. Als Dirigent ließ Reemy die Musiker an der langen Leine, die sich dafür vom Konzertmeister willig die Impulse und Einsätze für ihr präzises und straffes Musizieren geben ließen.Peter Buske
Peter Buske
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