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Kultur: Verpatztes Tönetreffen

Herbstkonzert des Potsdamer Männerchores mit Luigi Cherubinis Requiem d-Moll im Nikolaisaal

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Herbstkonzert des Potsdamer Männerchores mit Luigi Cherubinis Requiem d-Moll im Nikolaisaal Was sich in diesen Tagen und zurückliegenden Wochen an Feiertagen nebst deren dazu passenden Widmungsmusiken so alles zusammen sammeln ließ, schien seinen Niederschlag im Herbstkonzert des Potsdamer Männerchores e.V. gefunden zu haben. Unter der Leitung von Ronald Reuter trat das traditionsreiche Ensemble am Volkstrauertag im Nikolaisaal auf. Zur Unterstützung seiner künstlerischen Ambitionen hatte es sich das Deutsche Filmorchester Babelsberg und die Solistin Eva-Marlies Opitz (Alt) eingeladen. Eine Prise Erinnerung an den Reformationstag streute der instrumentale Klangkörper gleich zu Beginn des Konzerts aus. Er spielte den vierten Satz „Ein feste Burg ist unser Gott. Andante con moto“ aus Felix Mendelssohn Bartholdys Sinfonie Nr. 5 d-Moll. Fand dieses Finale aus der „Reformationssinfonie“ wegen der verwendeten Choralmelodie ins Programm? Oder nur deshalb, um die Zusammenstellung auf übliche Konzertlänge (ohne Pause) zu bringen? Hellgetönt und bläserdominiert wurde es gespielt. Präzise reagierte das von einer 8-er Geigenbesetzung angeführte Ensemble den genauen, wenig inspirierenden Zeichenvorgaben des Dirigenten. Mehr als nur solide Klangkost zu servieren, war den Beteiligten leider nicht möglich. Schlank hielten die Filmmusiker das Fundament für Mozarts Motette „Ave verum corpus“ D-Dur KV 618, auf dem die über achtzig Potsdamer Männer ihre Stimmen erheben konnten. Langsam bis verschleppt und mit uniformem Ausdruck trugen sie die vokale Preziose vor. Was sich hier andeutete, fand leider seine Fortsetzung in den weiteren Beiträgen des Abends: das genaue Tönetreffen wurde dem Chor zur reinen Glückssache. Welch Glück, dass Johannes Brahms'' Rhapsodie für Alt, Männerchor und Orchester op. 53 nach Goethes beklemmender „Harzreise im Winter“ über weite Strecken von der Solostimme, nicht vom Chor dominiert wird. Satt in der Tiefe, stimmte Eva-Marlies Opitz das lyrische Weltschmerzbekenntnis eines Menschenhassers an. Von ihrer intensiven Gestaltung ließ sich die Sangesgemeinschaft zu weitgehend schlichtem Vortrag anspornen. Unschön jedoch, wie einzelne Stimmen aus der Chormasse herausstreben, wo stattdessen homogener Gesang nicht nur erwünscht, sondern eingefordert ist. Seinen Höhepunkt erlebte der Kampf um saubere Intonation schließlich bei der Wiedergabe des Requiems d-Moll von Luigi Cherubini (1760-1842), einer Totenklage für mehrstimmigen Männerchor und Orchester – ohne jegliche Solisten. Da ist ein Chor mit wohlfeilem Können an Stimme und Gestaltung pausenlos gefordert. Als Vorlage lieferte das Orchester ein düster und herb koloriertes Klangbild, von dem sich die Sänger nicht inspirieren, sondern fast durchgängig zu Larmoyanz verführen ließen. Den glanzlosen und höhenmühevollen Tenören, den ausdruckslosen Bässen und den beständig nach richtigen Tönen suchenden Baritonen war eines gemeinsam: sie klangen flach und glanzlos, betrieben eine hörstrapaziöse Notenbuchstabiererei, verpatzten immer wieder ihre Einsätze. Fast erfreute man sich da an den im Forte angestimmten „Sanctus“-Anrufungen oder an der nicht minder laut vorgetragenen „Quam olim Abrahae“-Passage, wo die Mängel des Einzelnen gnädig im Strudel zusammenwirbelnder Stimmmassen untergingen. Laut ging es auch im „Dies irae“ zu. Er bewältigte dagegen nicht die Erfordernisse an den Vortrag einer geordneten Mehrstimmigkeit, die diesen Namen auch verdiente. Diesen Chor in seiner zur Zeit desolaten Stimmverfassung zu begleiten, muss dem Filmorchester wie eine Strafarbeit erschienen sein. Das Publikum zeigte sich von seiner beifallsfreudigen Seite. Es klatschte bereits nach der Bitte um ewige Ruhe („Requiem aeternam“), rührte eifrig die Hände nach dem „Dies irae“ und dem Offertorium, feierte („Hosanna in excelsis“) das „Sanctus“. Der Dirigent unternahm keinerlei Anstalten, diesen ungebührlichen Reaktionen auf eine musikalische Totenklage mit abweisenden Gesten oder hinweisenden Worten zu reagieren. Stattdessen wiederholte er als Dank für den reichlich gespendeten Beifall das „Hosanna“. Die Spaßgesellschaft ist wahrlich weit gekommen – selbst am Volkstrauertag. Peter Buske

Peter Buske

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