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Kultur: Versammlung tanzender Ohrwürmer

Das Neue Kammerorchester Potsdam im Nikolaisaal widmete das 3. Sinfoniekonzert dem „Fest des Tanzes“

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Akzentuiert und temperamentvoll, mit vielen Tempoverschiebungen und im voluminösen Orchestersound rauscht Johannes Brahms' Ungarischer Tanz Nr. 1 durch den gut besuchten Nikolaisaal. Dabei handelt es sich keineswegs um originale ungarische Volksmusik, sondern um Umformungen, wie man sie um die Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem in Budapester Cafés hören konnte. Eine Quelle, an der sich auch Brahms zu laben versteht. Zwar zwängt er die Melodien in strenge Zeitmaße, lässt ihren tänzerischen Elan jedoch unangetastet. Vielfach verwendet er Synkopen, die der ursprünglichen Klaviersammlung von 21 „Ungarischen Tänzen“ ihre charakteristische Vitalität verleihen. Drei von ihnen hat er eigenhändig für Orchester instrumentiert. Neben dem ersten auch den dritten Tanz, der drängend, aber auch sehr vorlaut vom Klang einer unschön näselnden Oboe bestimmt wird. Das auf knapp 50 Musiker aufgestockte Neue Kammerorchester Potsdam unter Leitung von Ud Joffe liebt für sein 3. Sinfoniekonzert – „Fest des Tanzes“ – am Donnerstag im Musentempel ein kontrastbetontes Musizieren, damit sich die Eckabschnitte knackig und deutlich von den sentimentalen Mittelteilen abheben können. Dann erklingt ein Stück, das an einen Spitzentanz mit Pirouettendrive erinnert, ehe sich Stampfendes Bahn bricht. Das soll von Brahms sein? Ist es natürlich nicht, sondern erweist sich als ein „Slawischer Tanz“ von Antonin Dvorák, der sich aus rhythmischen und melodiösen Versatzstücken böhmischer Volkstänze speist, wie KulturRadio-Moderator Holger Wemhoff in seiner launigen, anekdotenreichen und erfrischend publikumsdirekten Wortbegleitung feststellt. Und unentwegt die Querverbindungen zwischen den beiden, in Freundschaft zugeneigten Komponisten beschwört. Um welchen Tanz aus op. 46 es sich jedoch handelt, verschweigt des Moderators Höflichkeit.

Sprunghaft geht es weiter, denn nun folgen wieder „Ungarische Tänze“: breit und gemütlich (Nr.16), mit differenziert eingesetztem Vibrato (Nr.14), im Walzerschwung mit Schmiss (Nr.7), zärtlich bis feurig (ohne Ansage). Das Tänzchen vor der Pause entpuppt sich dem Kenner als ein „Slawischer Tanz“ im Furiantwirbel. Flott, bunt durcheinander gemischt und in den langsamen Mittelteilen spannungsarm geht es nach der Pause mit einer Auswahl aus den Tschaikowsky-Balletten „Schwanensee“ und „Der Nussknacker“ weiter. Zirpelige Geigen machen die schwanenseeische Miniatur-Ouvertüre genauso wenig zum Hörgenuss wie der gemütliche Tanz der vier kleinen Schwäne und das über Gebühr dramatisch zugespitzte Solo der Schwanenkönigin. Ohne jegliche Ansage spulen sich die routiniert bis gefällig musizierten „Nussknacker“-Hits wie Russischer, Chinesischer und Arabischer Tanz ab. Schade, dass der harfenumspielte Blumenwalzer jeglichen Charme vermissen lässt. Das beifallsfreudige Publikum erhält danach zusätzlichen Klangdank.Peter Buske

Peter Buske

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