Kultur: Verschattet?
Wahlprüfsteine für die zeitgenössische Bildende Kunst in Potsdam
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Wie halten Sie es mit der zeitgenössischen Bildenden Kunst? Mit dieser Frage konfrontierte die Arbeitsgruppe Gegenwartskunst die in der Stadtverordnetenversammlung vertretenen Fraktionen. Wenn am 25. Mai die Bürger bei den Kommunalwahlen ihre Kreuze setzen, sollen sie wissen, wohin die Reise in Sachen Kunst geht. Was halten die möglichen Volksvertreter für förderungswürdig, wie wollen sie für mehr Ateliers sorgen, welche Chance räumen sie einem Kunstpreis ein? Mehr als vier Wochen hatten die Fraktionen Zeit, ihre Antworten zu formulieren. Alle außer der CDU warteten mit mehr oder weniger konkreten Vorstellungen auf (nachzulesen unter www.gegenwartskunst-in-potsdam.de). Wir, die AGK, schauen auf das Wesentliche.
Die Andere für Experimente
Für Die Andere liegt klar auf der Hand: In Potsdam wird mehr zurück als vorwärts geschaut: „Die Landschaft zeitgenössischen Kunstschaffens wird von großen Gesten verschattet, die sich sehnsuchtsvoll dem kulturellen Erbe vergangener Epochen zuwenden. Hier haben die höchsten Gebäude Kirchen zu sein. Moderne Architektur gilt als Bedrohung für Schönheit und Kultur.“ Diese Fraktion möchte „Räume zum Experimentieren und Ausprobieren statt eine langweilige Protz-und Vernissagen-Kultur“. Ihr geht es um die Förderung künstlerischer Prozesse. Deshalb würde sie statt eines Preises für fertige Kunstwerke lieber ein Arbeitsstipendium unterstützen. Ganz konkrete Vorstellungen hat Die Andere von der Kunst am Bau. Bei allen öffentlichen Bauaufträgen, auch in den städtischen Betrieben, sollten zwei bis drei Prozent der Auftragssumme für bildende Kunst ausgegeben werden – so ihr Ziel. Um der Misere fehlender Arbeitsräume für Bildende Künstler beizukommen, schlägt sie vor, die ehemalige Volkshochschule in der Dortustraße zu nutzen und vorübergehend auch die leer stehenden Räume in der Fachhochschule am Alten Markt.
Bürgerbündnis für Kunstankauf
Auch dem Bürgerbündnis ist wichtig, dass Künstlern ganz unmittelbar mit Atelierräumen, Ausstellungsmöglichkeiten und Öffentlichkeitsarbeit geholfen wird. Diese Fraktion plädiert für einen Etat beim Potsdam Museum, der es ermöglicht, zeitgenössische Kunst anzukaufen. Dieses Geld käme dann den Künstlern direkt zugute, „die Wertschätzung der Kunst wäre eindeutig“. Neben diesem Ankauf setzt sich das Bürgerbündnis für die Auslobung eines Kunstpreises ein – vergeben durch eine Fachjury. „Der Preis sollte mit dem Ankauf der zehn besten Kunstwerke verbunden sein“, so die honorige Vorstellung. Zudem plädiert das Bürgerbündnis für ein Kunststipendium pro Jahr: für Potsdamer Künstler.
SPD für „Tag der Schenkung“
Diese stärkste Fraktion konstatiert zufrieden, dass der zeitgenössischen Bildenden Kunst in Potsdam bereits ein hoher Stellenwert beigemessen werde. Und sie zählt die diversen Vereine und Institutionen auf, die Zuschüsse erhalten, wie der Potsdamer Kunstverein, das Kunsthaus Potsdam, das Haus im Güldenen Arm, der Kunstraum des Waschhauses, die Kunstschule, der Brandenburgische Kunstverein Potsdam, der Bereich Kunst im Potsdam Museum, der Offene Kunstverein „Mehr als eine halbe Million Euro sind für diese Akteure vorgesehen. Allein für die Wartung und Pflege der Kunst im öffentlichen Raum werden jährlich 60 000 Euro verwendet.“ Die SPD-Fraktion hebt hervor: „Wir wollen Künstler fördern und keine Funktionäre.“ Was genau sie damit meint, ist nicht formuliert und auch nicht nachvollziehbar. Dafür spricht sie sich selbst ein Lob aus: Sie habe gemeinsam mit der Verwaltung den Boden für Mäzene und Sammler bereitet - durch die Attraktivität der Stadt. Diese Förderer möchte die SPD künftig durch einen „Tag der Schenkung“ würdigen. Zudem soll der bereits angelegte Skulpturenpfad zwischen Schiffbauergasse und Alter Markt weiter ausgestaltet und der Ankaufetat für das Potsdam-Museum durch Förderprogramme oder private Förderer erhöht werden. Und die Fraktion würde auch gern das Land Brandenburg mehr in die Pflicht nehmen - gerade im Bereich der zeitgenössischen Bildenden Kunst.
Die Linke für Kunstpreis
Die Linke betont den hohen Stellenwert der zeitgenössischen Kunst, der für das Renommee der Stadt ausgebaut werden muss. Strategien zur Stärkung müssten sich aus den Kulturpolitischen Leitlinien der Landeshauptstadt ableiten. Und die gehörten längst überarbeitet. „Ungeachtet dessen sollte zu dem Gedanken einer verbindlichen Konzeption zurückgekehrt werden, die mit einer finanziellen Untersetzung verbindlich gekoppelt werden muss.“ Diese Fraktion setzt sich dafür ein und hat beantragt, dass die Landeshauptstadt endlich einen Kunstpreis auslobt und ein Programm „Artist in Residence“ auflegt. „Das ist längst überfällig, denn die Verwaltung ist bisher in dieser Frage untätig geblieben.“
Bündnis 90/Die Grünen für Ateliers in Husarenkaserne
Für eine Aufstockung der Projektförderung setzen sich Bündnis 90/Die Grünen ein. Ihnen scheint die Relation von Fördersummen der verschiedenen Kunstgenres überprüfenswert: „wissend um die unterschiedliche Popularität von z. B. Chormusik, Konzertmusik und die eher im ,Stillen‘ zu erfahrende bildende Kunst.“ Für dringend erforderlich hält sie es, dass es im Kulturdezernat einen ständigen Ansprechpartner für die bildenden Künstler und ihre Probleme gibt. In der Frage der Atelierknappheit befürwortet sie die Prüfung des Art-Speichers in der Zeppelinstraße, als mittelfristige Lösung setzt sie auf die Husarenkaserne an der Schiffbauergasse. Darin sieht sie zudem eine Stärkung des Kulturstandortes am Tiefen See.
FDP für Schulkind-Gutscheinheft
Die FDP hält sich in ihren Antworten kurz und recht allgemein. Sie betont: „Auch in Zeiten knapper Kassen bleiben förderliche Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur eine öffentliche Aufgabe. Die Wirkungsmöglichkeit der einzelnen Spielstätten, wie dem Hans Otto Theater, dem Wissensspeicher Potsdam (Bibliothek) und der Museen sollen in dieser Qualität gesichert werden.“ Aber sie schränkt ein, dass das kulturell Gewollte nicht unbedingt konform mit dem wirtschaftlich Machbaren sei. „Es wird in einer Stadt wie Potsdam immer so sein, dass sich das kulturelle Füllhorn üppig über zu kleine Etats und Stadtkämmerer-Pragmatismus ergießt, verbunden mit dem niemals verhallenden Ruf nach Sponsoring und/oder Basisfinanzierung.“ Sie setzt auf realistische Ziele – gemeinsam von Künstlern und Politik, Bürger und Medien, Museen und Verbänden formuliert.
Für die Jüngsten dieser Stadt hat sie indes einen ganz konkreten Vorschlag parat: ein Gutscheinheft für jedes Schulkind in jedem Schuljahr. Dadurch sollen Zugangsbarrieren zu öffentlichen Kultureinrichtungen gesenkt werden.
Potsdamer Demokraten für Förderwechsel
Die Potsdamer Demokraten betonen die Obergrenze der Kulturausgaben in Höhe von 20,3 Mio Euro, die nur angehoben werden könnte, wenn an anderer Stelle eingespart werden würde. Ein Ausspielen des einen Kulturträgers gegen den anderen verböte sich von selbst, betonen sie. Gleichzeitig prangern die Potsdamer Demokraten mit Nachdruck die falsche Schwerpunktsetzung in der Kulturpolitik an. Aus Sicht dieser Fraktion ist die derzeitige Förderung der Jugendsoziokultur völlig überzogen. „Waschhaus, Lindenpark, Archiv, Freiland werden mit vielen Millionen Euro pro Jahr gefördert, und im vergangenen Sommer wurde der Zuschuss an das Freiland ohne weitere Diskussion um ca. 40 000 Euro auf 175 000 Euro erhöht. Die unverantwortlich hohe Förderung der Soziokultur geht zu Lasten der anderen Kulturträger.“
Aber auch die Förderung der städtischen Kulturträger bezeichnen sie als problematisch. Es heißt: „Hier kann man durchaus fragen, ob sie möglicherweise im Wissen um die sicheren Zuschüsse leichtfertig auf die Generierung eigener Einnahmen verzichten.“ Konkrete Einrichtungen nennt die Fraktion nicht. Gern würde sie eine Evaluation über den Eigenfinanzierungsgrad der öffentlichen Träger veranlassen.
Zur Frage der zeitgenössischen Bildenden Kunst heißt es dann allgemein: „Wir stehen allen privaten Trägern, nicht nur denen der Bildenden Kunst, wegen des Engagements und ihrer Kreativität wohlwollend gegenüber und könnten uns eine angemessenere Förderung vorstellen.“ Privat – städtisch? Die einen kreativ, die anderen leichtfertig? Hier scheint ein differenzierterer Blick angebracht.
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