zum Hauptinhalt

Von Dirk Becker: Verspielt bis verletzlich

Die Sängerin Aga Zaryan bei „The Voice in Concert“

Stand:

Den Anfang macht Michail Tokaj. Ein paar lose Klangperlen mit leichten Jazzglanz holt er aus dem Klavier. Verhaltener Anschlag, fast wie Noch-nicht-ganz- bei-der-Sache. Ein verspieltes Tasten, ein vorsichtiges Fragen, ein leichtes Rufen im sparsam beleuchteten Foyer des Nikolaisaals. Sie sind ja noch nicht vollständig da vorn auf der kleinen Bühne. Dann, beim nächsten von Tokaj wie mit chirurgischer Präzision sezierten Akkord, während alle dem feinen Zerfall in die klanglichen Einzelteile lauschen, springt etwas in diese musikalische Miniatur. Der Klang von Hackenschuhen aus dem Dunkel hinter der Bühne. Aga Zaryan kommt. Nicht leise und langsam, nicht Rücksicht nehmend auf das, was Pianist Michail Tokaj gerade mit weichesten Klangfarben malt. Schnell und bestimmt ist ihr Auftritt, das Selbstbewusstsein hört man schon an den Schritten. Hier kommt die Frau des Abends!

Freitag Abend im Foyer des Nikolaisaals: Das erste Konzert in der Reihe „The Voice in Concert“ im neuen Jahr. Und es war, fast ausschließlich im positiven Sinne, alles wie immer. Das Konzert der polnischen Sängerin Aga Zaryan war ausverkauft und was die hierzulande noch relativ unbekannte Aga Zaryan mit ihren drei Musikern in zwei Stunden bot, ließ einen wieder nur staunen. Alles wie gehabt. Leider auch die unsäglichen Auftritte von Lothar Jänichen, die im schmalen Programmheft immer noch als „Moderation“ verkauft werden. Doch dazu später.

Aga Zaryans Selbstbewusstsein kommt auf der Bühne im flauschigen Mantel Charme daher. Die Sängerin, mit bürgerlichen Namen Agnieszka Skrzypek, versteht es zu schmeicheln, auf ganz subtile Art. Ein verlockendes Spiel mit ihrer Stimme, deren Facettenreichtum erstaunlich ist. Gekonnt gezügelte Kraft und trotzige Melancholie, mal verspielt, mal kokett, mal verletzlich – mit wenigen Mitteln durchschreitet Aga Zaryan das ganze Auf und Ab menschlicher Gefühle. Ob Standards wie „You and the night and the music“ oder „Sophisticated Lady“, Eigenkompositionen wie „Temptation Game oder vertonte Gedichte aus ihrer Heimat, dem Gesang Zaryans wohnt immer ein ganz eigener Zauber inne. Getragen wird diese Magie von drei Musikern, deren Zusammenspiel zu hören ein wahres Erlebnis ist.

Michal Tokaj in fast schon mönchhafter Meditation über das Klavier gebeugt, die Melodien und Improvisationen wie feinstes Kristall behandelnd. Lukasz Zyta am Schlagzeug mit einer Zurückhaltung, die genug Freiraum lässt, um all den feinen Verzweigungen und Spielarten in diesem wundersamen Entstehungsprozess folgen zu können, den die Musiker mit jedem Lied aufs Neue zu spinnen begannen. Michal Baranski am Kontrabass ein Melodiemaler, der sich gelegentlich anschickte, selbst Aga Zaryan den Rang abzuspielen. Doch wie schon gesagt: Dieser Frau gehörte der Abend und es reichten oft nur wenige Töne, um diesen stillen Machtanspruch wieder zu festigen. Dieser Konzertabend hätte fast schon das Prädikat „Perfekt“ erhalten, wäre da nicht Lothar Jänichen.

Wer „The Voice in Concert“ regelmäßig besucht, ist in dieser Hinsicht von dem rbb-Kulturradio-Moderator einiges gewohnt. Sein Englisch ist schlecht, seine Übersetzungen oft haarsträubend, seine Ankündigungen klingen immer gleich. Vorzubereiten scheint er sich auf die „Pausengespräche“ kaum. Doch was er am Freitag ablieferte, war der vorläufige Tiefpunkt. Eine einzige Frage stellte er Aga Zaryan. Ob sie auf ihrem neuen Album nur Polnisch singen wird? Die Frage hatte die Sängerin schon im ersten Teil des Konzerts selbst beantwortet, als sie ein Lied davon vorstellte, mit englischem Text. Danach wusste Jänichen nicht weiter und stotterte sich von der Bühne. Im Vergleich zum hohen Niveau, das „The Voice in Concert“ immer wieder musikalisch bietet, kann das, was Lothar Jänichen sich als „Moderator“ wiederholt gegenüber den Musikern und dem Publikum erlaubt, nur als Frechheit bezeichnet werden.

Dirk Becker

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })