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Im Ring findet sich das erste Glück. „Attache“, das Spektakel zwischen Zirkus, Tanz und Musik in der Schiffbauergasse.

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Kultur: Versuchte Begegnungen

„Attache“ von Loutop forscht mittels Zirkus, Tanz und Musik dem Zwischenmenschlichen nach

Stand:

Die handtellergroßen metallenen Ringe stehen, kreiseln dann, werden langsamer und fallen schließlich auf den kreisrunden Holzboden. Bedächtig werden sie von ihrem Besitzer, dem eigenwilligen Soundkonstrukteur Benjamin Chaval, aufgehoben und zweckentfremdet. Er schabt mit ihnen an Metall, lässt sie eine kleine Glocke berühren, die zu klingen anfängt, klopft auf Holz, bevor er sich in sein kleines Tonlabor zurückzieht, in dem er in den nächsten 50 Minuten noch ganz andere Klangkompositionen entwickeln wird. Das alles unter freiem Himmel, am sonnigen Sonntagmorgen, direkt am Ufer der Havel, auf dem Gelände der Schiffbauergasse. Hier hat die Schweizer Company Loutop mit Hilfe der „fabrik“ ein kleines Universum aus Bühne, einer hölzernen Rampe, die der Half Pipe für die Skateboarder ähnelt, einer alten Straßenlaterne und einem Metallgerüst aufgebaut, auf dem sich Benjamin Chavals Tonlabor befindet. Und hier begegnen die Zuschauer in dem Stück „Attache“ nicht nur dem augenscheinlichen Herrscher über die Töne, sondern auch einem geheimnisvollen Mädchen, ganz in ein graues Gewand gehüllt, dessen endlos scheinende Schleppe seine Trägerin immer wieder festzuhalten scheint.

Unermüdlich, mit verzweifelter Gestik und Mimik, sucht sie den Kontakt zu der Welt außerhalb der Bühne, und ebenso unerbittlich wird sie immer wieder zurückgezogen, eingesponnen, gehindert. Auch zu dem dritten im Bunde, einem jungen Artisten, der ständig in Bewegung ist, tanzt, sich dreht, klettert und mit kindlicher Neugier spielt und berührt, schafft sie es nicht, Kontakt aufzubauen.

„Attach(e)“, sich verbinden, die Unfähigkeit, Beziehungen miteinander einzugehen, diese Thematik verwebt Choreographin und künstlerische Leiterin Moni Wespi in ihrer Geschichte, die sie selbst ein Trash-Märchen nennt. Dabei ist das Ergebnis gar nicht so schräg. Die Problematik ist altbekannt und die Sprache, die die junge Frau ihre drei Tänzer, Akrobaten und Soundtüftler sprechen lässt, ist beinahe unverschlüsselt. Sie lässt sie zueinanderstreben, sich ängstlich umkreisen, sich berühren und verlieren. Schräg bleibt vielleicht die Rolle der Straßenlaterne, ebenfalls ein Objekt, dessen Nähe man sucht. Der junge Artist entdeckt plötzlich, mit Hilfe zweier Hände, deren dazugehöriger Körper im Verborgenen bleibt, und die ihn immer wieder scheu berühren, ein langes Telefonkabel mit Verbindungsstecker in seiner Hose. Irritiert zieht er daran, bis es immer länger wird und er an dessen Ende einen Telefonhörer zum Vorschein bringt. Der Stecker passt in eine kleine Öffnung im Bühnenboden, die Verbindung ist hergestellt und ein angeregtes Gespräch beginnt. Auch der Soundkonstrukteur „verbindet“ sich mit dem Artisten, reicht diesem in einer anderen Szene den Hörer, da der Artist selbst jetzt auf Stelzen geht und nicht an ihn heranreicht.

Und das Mädchen? Macht sich in einem wütenden Tanz von ihrem Gewand los, das sie so einengt, und bewegt sich plötzlich schwerelos und leicht, probiert mit einem Lächeln ihre neue Freiheit. Und dann ist da auf einmal wieder einer dieser metallenen Ringe vom Anfang. Diesmal lebensgroß, wird er dem Artisten zum Spielobjekt, mit dem er tanzt, in dem er tanzt. Das Mädchen schaut zu, umkreist ihn und plötzlich ist sie mit im Ring. Mutig hat sie eine Schwelle überschritten und atemlos stehen die beiden sich gegenüber, bereit, sich zu begegnen.

Wieder am 31. August, 1., 2. und 3. September, jeweils 20 Uhr und am 4. September um 16 Uhr

Andrea Schneider

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