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Kultur: Vertraut

Die Engerling Blues Band auf dem Theaterschiff

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Es ist wie auf einem Ehemaligentreffen. Man schaut in Gesichter, deren Falten tiefer und Haare grauer geworden sind. Doch sobald die Stimme erklingt und die Augen wissend verschmitzt blitzen, sind die Jahre wie ausgeblendet. Man erzählt sich alte Geschichten und ist ganz schnell im Heute. Am Freitagabend im Engerling-Konzert auf dem Theaterschiff setzt mit dem ersten Takt dieses blinde Verstehen ein. Ohne jede Attitüde spielen die vier Musiker ihren vertrauten Blues, und die Fans wippen wie vor 30 Jahren mit geschlossenen Augen und beseeltem Lächeln mit.

Anfangs dröhnen die Texte noch unverstanden über die Köpfe hinweg, zu laut schmettern sie in den Schiffsrumpf hinein. Doch auch die wenige Zeilen, die sich ihren Weg in den Kopf bahnen, sagen alles über diese Band. „Ihr kriegt meine Sehnsucht nicht zurück. Ich lasse mich nicht zwingen“, singt Wolfram Bodag, der immer unbeirrt seinem eigenen Kompass folgte und so nach der Wende auch in die Konzertsäle des Westens gelangte. Gitarrist Heiner Witte haut wie eh und je elektrisiert in die Saiten, als gäbe es kein Morgen. Und auch der langmähnige Manne Pokrandt am Bass füllt wie Nachwuchs-Drummer Hannes Schulze den sprühenden Energietank mit eingängigem Rock- und Boogiesound.

Die Engerlinge wildern ungeniert auch in fremden Gärten, ohne sich dabei zu verheben. Sie bedienen sich bei Jethro Tull ebenso und wie im spanischen Liedgut und bereiten daraus nach eigener Rezeptur ein wohl verdauliches Menü. Mit ihren Stones-Adaptionen begeistern sie genauso wie mit ihrer legendären „Mama Wilson“. Und als unausgesprochene Hommage auf den im Oktober verstorbenen Cäsar schütteln sie noch einmal sanft seinen Apfelbaum. Nur ungern verlassen die Gäste das Schiff, das an diesem Abend ein Flair wie im heimischen Wohnzimmer verströmt. Heidi Jäger

Heidi JägerD

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