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Kultur: Vertrautes und Vertracktes

Novitätenreiches Eröffnungskonzert der „intersonanzen“ im Alten Rathaus

Stand:

Städte brauchen Orte. Orte brauchen Klang. Auch dieser Ort, das Alte Rathaus am Alten Markt. Es hat sich bereits in der Vergangenheit als solch ein Klangraum auf vielfältigste Weise bewährt. In seinem Gemäuer, vom Theatersaal bis in die Kuppel, finden bereits zum sechsten Mal die „intersonanzen“, das Brandenburgische Fest der neuen Musik 2005 statt. Vor dem Eröffnungskonzert am Freitagabend gibt es einen Audio-Exkurs zum Begriff des „Menschenmaterials“, dem Unwort des 20. Jahrhunderts. Die Räume im Turmgeschoss haben sich dazu in ein Hör-Mal verwandelt. Aus Lautsprechern blubbernde und sich überlagernde Wortfetzen nebst Sätzen erweisen sich gleichsam als eine musikalische Collage aus Dissonanzen beziehungsweise Konsonanzen. So entstehen assoziationsreiche Sounds. Beim Durchwandern der Räume ist man von geradezu körperlich erfahrbarem Klangmaterial umgeben, dessen Lautstärke sich sogar durch den eigenen Schatten durch Hinzu- oder Wegtreten lauter oder leiser „stellen“ lässt.

Dieses akustische Patchwork ist eine vorzügliche Einladung zum Entdecken vertrauter bis vertrackter Klangwelten, die sich im Spannungsfeld von Historie ausbreiten wollen. Ihnen gibt Kulturministerin Johanna Wanka wertschätzende Worte mit auf den dreitägigen Exkursionsweg. Durch die konzentrierte Angebotsform sei die Förderung durch ihr Ministerium „gut angelegt“, weshalb sie dem Veranstalter auch künftig Unterstützung zusichert. Danach kommen endlich die kammermusikalischen Beiträge zu Gehör, auf die ein interessiertes Publikum voller Ungeduld und Spannung wartet. Zumeist sind es Komponisten, die den Ort als geselligen Treffpunkt und gedankliche Austauschstätte nutzen. Die „gewöhnlichen Publikümer“ dagegen haben mit den Füßen abgestimmt – sie sind gar nicht erst gekommen.

Zu Beginn des langen Konzertabends mit mitternächtlichem Ende, der vom Ensemble Junge Musik unter Leitung von Helmut Zapf bestritten wird, ertönt mit dessen „Odem II“ ein ungewöhnliches Geflecht aus sich durchdringenden Akkordeon- und Klavierklängen. Atemgeräusche verweisen auf den Titel als „Symbol für Schöpfung, Freiheit und Kreativität“ (Zapf). Wie das Gackern eines aufgescheuchten Hühnerhaufens hört sich Susanne Stelzenbachs uraufgeführtes „stop & go“ für Flöte, Oboe und Bassklarinette an, während Sebastian Stier in seinen sieben Miniaturen „Stille Stücke“ zu einer glissandoreichen Versammlung kleiner musikalischer Floskeln auf der Solovioline einlädt. Mit seiner „Utopie VI“ für Oboe solo liefert Peter Köszeghy gleichsam den Beweis für die Illusion von sinnerhellenden Tonfolgen.

Reizvoll wirken dagegen die „Lieder“ für Tape des in Israel geborenen Komponisten und Hornisten Noam Yogev. Die gesprochenen Texte sind dabei mit unverfremdeten Tonbildungen unterlegt. Durchaus modern, aber auch sehr vertraut klingen „Fünf Miniaturen“ für Oboe und Cello von Hans Hütten. Ein melodisch-harmonisches Labsal für die mit Klangspielereien arg gebeutelten Ohren. Bravourös meistert Schlagzeuger Martin Krause die rhythmisch vertrackte Studie „Leichtes Metall“ von Hermann Keller. Stimmstark, aber textunverständlich trägt Countertenor Kaspar Kröner unter anderem Georg Katzers „Lieder nach Leising“ vor. Live-Elektronik und Textzuspiel zeichnet eine sehr geräuschhafte Collage von Matthias Bauer aus. Der Möglichkeiten sind es viele, mit denen die zeitgenössische Musik um Anerkennung buhlt.

Peter Buske

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