Kultur: Vertrieben und heimatlos
Helga Hirsch stellt neues Buch in Potsdam vor
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Ein guter Deutscher in fünf Jahren. Nur ein einziger, dem Kupple Miller im Vorhof der Hölle Auschwitz begegnet ist und der ihn behandelte wie etwas, das Miller schon nicht mehr glaubte zu sein: Ein Mensch. Später, in New York, wird Miller zu seiner Tochter sagen, dass 99 Prozent der Deutschen nicht gut waren. Dass diese Hitler gefolgt seien und Juden wie ihn gequält haben und ausrotten wollten. Doch ein Prozent, ein Erlebnis nur, zeigte ihm, dass es auch anders gehen kann. Dass Menschlichkeit immer möglich ist.
Die Geschichte des polnischen Juden Kupple Miller ist eine von zehn, die Helga Hirsch in ihrem Buch „Entwurzelt. Vom Verlust der Heimat zwischen Oder und Bug“ erzählt. Am morgigen Mittwoch stellt die Autorin ihr Buch in Potsdam vor. Nach „Ich habe keine Schuhe nicht“ und „Schweres Gepäck“ ist das nun das mittlerweile dritte Buch der 58-jährigen Autorin, das sich mit dem Thema Flucht und Vertreibung beschäftigt. Und wie es schon im Untertitel von „Schweres Gepäck“ heißt: „Flucht und Vertreibung als Lebensthema“, so sind Flucht und Vertreibung längst auch zum Lebensthema von Helga Hirsch geworden.
Seit Jahren sammelt Helga Hirsch die Geschichten Vertriebener, es sind nicht die Geschichten Einzelner. „Fast jeder kann sie erzählen. Denn gleich mehrfach im 20. Jahrhundert litten die Menschen zwischen Oder und Bug unter Kriegen, Besatzung, Verfolgungen und dem Verlust ihrer Heimat“, wie Helga Hirsch in ihrem als „Geteilte Erinnerung“ betitelten Vorwort in „Entwurzelt“ schreibt. In ihrem Buch lässt sie Juden, Polen und vertriebene Deutsche zu Wort kommen. Mancher wird ihr vielleicht vorwerfen, dass jüdische und polnische Schicksale und die von Deutschen während des Zweiten Weltkrieges nicht zusammen genannt werden dürfen. Doch Helga Hirsch will nicht werten. Sie reiht Schicksal an Schicksal und zeigt so, dass der Verlust von Heimat einen für jeden Menschen gleiches Gefühl ist. Dabei zeigt sie Wege auf, die wie bei Adam Szejwac vom polnischen Gleiwitz über das russische Perwouralks zurück nach Gleiwitz und dann nach Tel Aviv in Israel führen. Helga Hirsch erzählt mit einem sachlichen Ton und dem Gespür für kleine, aber umso eindringlichere Details. Als Kupple Miller nach dem Krieg in seine Heimatstadt Boleslawiec zurückkehrt, erkennt ihn Itzhak Russek, der Bruder von Pola, seiner Freundin, als erster. „Hat Pola überlebt?“ Itzhak schüttelt den Kopf. „Hat jemand aus meiner Familie überlebt?“ Itzhak schüttelt den Kopf. Dirk Becker
Helga Hirsch stellt am morgigen Mittwoch, um 18 Uhr, in der Landeszentrale für Politische Bildung, Heinrich-Mann-Allee 107, ihr Buch „Entwurzelt. Vom Verlust der Heimat zwischen Oder und Bug“ vor.
Dirk Becker
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