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Nur das Bild? Nachdem Käthchen (Friederike Walke, 2.v.r.) das Porträt des Grafen vom Strahl (Dennis Herrmann, 2.v.l.) aus dem Feuer gerettet hat, fragt dieser nach dem Umschlag, der Kunigunde von Thurneck (Marianna Linden, r.) so wichtig war. Erst später wird er Käthchens Weitsicht erkennen.

©  HL Böhme

Kultur: Verzweifeln ja, zweifeln nie

Friederike Walke tritt heute als „Käthchen von Heilbronn“ auf die Bühne des Hans Otto Theaters

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Das Käthchen also. Dieses stille, so duldsame Geschöpf. Rätselhaft auch. Vor allem aber so unwirklich in ihrer liebenden Konsequenz, in ihrer konsequenten Liebe. Da droht der Graf vom Strahl ihr mit der Peitsche. Und sie? „Vor das bemooste Tor, und lagerte / Mich draußen, am zerfallnen Mauernring / Wo in süßduftenden Holunderbüschen / Ein Zeisig sich das Nest gebaut.“ Dort wartet sie auf ihn, der ihr gerade noch Böses wollte, in reinster Hingabe.

„Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Ein großes historisches Ritterschauspiel“ hat Heinrich von Kleist 1808 sein Theaterstück in fünf Akten überschrieben. Erzählt wird die Geschichte vom 15-jährigen Käthchen, Tochter des Waffenschmieds Theobald Friedeborn, das in eine solch absolute Liebe zu Friedrich Wetter, Graf vom Strahl verfällt, das für ihre Nächsten als Erklärung nur Hexerei gelten kann. Graf vom Strahl wird vor ein heimliches Gericht gerufen, um zu den Vorwürfen der Schwarzen Magie Stellung zu nehmen. Der junge Graf kann zwar nicht erklären, warum das Käthchen so handelt wie es handelt. „Wenn ich mich umsehe, erblick ich zwei Dinge: meinen Schatten und sie“, sagt er. Doch er kann erklären, dass er keine Schuld daran trägt. Am heutigen Freitag hat „Das Käthchen von Heilbronn“ in der Regie von Ingo Berk Premiere am Hans Otto Theater.

Es ist eine der faszinierendsten und gleichzeitig so verwirrend wie rästelhaftesten Liebesgeschichten, die Kleist hier erzählt. Ein einfaches Mädchen wird von einer Liebe überwältigt, die in ihrer Reinheit und Selbstlosigkeit fast schon schmerzhaft wirkt, wenn man mit ihr konfrontiert wird. Ob nun die Figuren in „Das Käthchen von Heilbronn“ oder der Zuschauer. Nur für eine ist sie das Selbstverständlichste überhaupt: für Käthchen. Friederike Walke wird heute Abend als das Käthchen auf die Bühne treten. Und es wird vor allem ihr Spiel sein, das dazu beiträgt, ob diese Inszenierung überzeugt oder nicht.

Wer Friederike Walke gegenübersitzt und mit ihr über Kleist und das Käthchen spricht, erlebt eine junge Frau, in der scheinbar ständig eine Energie wirkt, die ihr etwas Ruheloses gibt. Eine Energie, die anstecken, die mitreißen kann. Und auch wenn es sich erst auf der Bühne zeigen wird, wie Friederike Walke das Käthchen spielt, es ist diese Energie, die schon jetzt fasziniert.

Dieses Käthchen ist sich selbst ein Rätsel, sagt Friederike Walke. Diese Liebe, die sie von Kopf bis Fuß ausfüllt, sei für sie das Normalste auf der Welt. Auch wenn sie diese in dieser Absolutheit nicht erklären kann. Auch wenn sie durch die wiederholten Abweisungen des Grafen vom Strahl so viel aushalten muss. Nein, nicht muss, sondern will! Denn tief in ihrem Inneren wisse sie, dass das, was sie empfindet, was sie tut, das Richtige ist. „Nimm mir, o Herr, das Leben, wenn ich fehlte! / Was in des Busens stillem Reich geschehen, / Und Gott nicht straft, das braucht kein Mensch zu wissen;“, sagt das Käthchen vor dem heimlichen Gericht.

Als eine utopische Figur bezeichnet Dramaturg Remsi Al Khalisi das Käthchen. In dieser absoluten Liebesgewissheit, dieser absoluten Hingabe drücke sich Kleists eigene Sehnsucht nach etwas absolut Erfüllendem aus. Etwas Transzendentes, das dieser Unruhegeist, dieser Getriebene, der Kleist zeitlebens war, auf Erden nicht finden konnte. „Käthchen trägt das verlorene Paradies in sich“, sagt Al Khalisi. Ein reines Geschöpf, das von allem missverstanden wird, intuitiv aber weiß, dass ihre aufopferungsvolle Liebe das Einzige ist, was sie tun kann, was sie tun muss.

Die Ritterwelt, in der Kleist die Geschichte vom Käthchen erzählt, sei weniger wichtig. Kleist zeige am Beispiel des Grafen vom Strahl einen zeitlosen Grundkonflikt: Das Gefangensein zwischen Erwartungen, Konventionen und der eigener Gefühlswelt. In „Das Käthchen von Heilbronn“ treffe die Welt des Krieges auf die Welt der Empfindung. Und an deren Schnittstelle stehe Friedrich Wetter, Graf vom Strahl.

Vielleicht ist gerade dieser Graf vom Strahl eine der rätselhaftesten Figuren in diesem historischen Ritterspiel. Im Zwiespalt zwischen ständischem Denken und seiner schwärmerischen Liebessehnsucht vielleicht im Herzen blind geworden. Vielleicht aber hat er auch nur einen vom Männlichkeitsideal geformten Panzer um sich gelegt, mit dem er sich zu schützen versucht. Es bleibt das Gefühl, dass er selbst beim glücklichen Ende des fünften Akts noch immer nicht verstanden hat. Ihm gegenüber das Käthchen mit ihrer unerschütterlichen Liebeskraft, die sie manchmal verzweifeln, aber nie zweifeln lässt. Eine Energie, die da in ihr wirkt und die vielleicht gerade Friederike Walke auszudrücken vermag.

Auf die Frage, was sie vor allem in dem Käthchen sieht, sagt Friederike Walke, dass es sich lohne für die Liebe zu kämpfen. Immer für die Liebe zu kämpfen!

Premiere am heutigen Freitag, 19.30 Uhr, im Hans Otto Theater in der Schiffbauergasse. Karten unter Tel.: (0331) 98 11 8

Dirk Becker

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